Karl Prantl: Der Mann, der mit den Steinen sprach

Karl Prantl Mann Steinen
Karl Prantl Mann Steinen(c) APA/HANS KLAUS TECHT (HANS KLAUS TECHT)
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Karl Prantl, prägender Bildhauer der Zweiten Republik, ist 86-jährig gestorben – vermutlich an einem Gehirnschlag. Seine Werke stehen auch auf dem Berliner Platz der Republik und im ehemaligen KZ Mauthausen.

Schon vor 2000 Jahren nutzten die Römer den St.Margarethener Kalksandstein zum Bauen in Carnuntum. Aber nicht nur deswegen ist der noch heute aktive „Römersteinbruch“ im Burgenland bekannt: Dort veranstaltete Karl Prantl das erste „Symposion Europäischer Bildhauer“. Er hatte Malerei bei Albert Paris Gütersloh an der Akademie der bildenden Künste in Wien studiert. Aber ab 1950 interessierte er sich nur noch für die Bildhauerei. Mit seinem Kollegen Heinrich Deutsch lud er elf Künstler aus acht Ländern ein, im Sommer 1959 drei Monate im Freien zu arbeiten. Ort und Material sah er als Mittel der Befreiung: „Für uns Bildhauer ist der Stein das Mittel, um zu diesem Freidenken zu kommen – zum Freiwerden von vielen Zwängen, Engen und Tabus“, erklärte er.

„Meditationsstein“ in Gießen

Dieser Schritt ins Freie blieb bestimmend für sein Werk. Bis 1976/77 organisierte er die Veranstaltungen in St.Margarethen. Obwohl die Symposien durch den Verkauf der Steine finanziert wurden, stehen von den 150 dort entstandenen Skulpturen noch immer 57. In der Folge wurden europaweit immer mehr solcher Bildhauersymposien organisiert. Dank Prantls Initiative entstanden auch die ersten „Skulpturenstraßen“. Und oft wurde er zu den Premieren eingeladen, wie 1971 im saarländischen St. Wendel und 1981 für den „Gießener Kunstweg“. Dort auf dem Universitätsgelände in Gießen steht sein „Meditationsstein“ heute neben Werken von Ulrich Rückriem, Stephan Balkenhol, Per Kirkeby.

Es ist seine reduzierte Formensprache, die Prantl zu einem der wichtigsten Künstler der Nachkriegszeit werden ließ – und zu einem der gefragtesten. International gilt er als der entscheidende Erneuerer der Steinbildhauerei. Auf dem Höhepunkt seiner Kunstmarkt-Karriere in den 1980er-Jahren kosteten seine Skulpturen bis zu zwei Millionen Schilling, sein schwarzer Granitquader „Zur Meditation“ (1986/95) wurde 2009 auf der Kinsky-Auktion mit 45.000 bis 60.000 Euro geschätzt. Zeit seines Lebens blieb er dem Material Stein verbunden – denn der Stein war seine Religion. Er arbeitete ohne Skizzen oder Modelle, ließ meist die Form, den Umriss, fast unverändert, legte nur Maserungen frei, betonte Einschnitte, Durchbrüche und Vertiefungen. „Der Mann, der mit den Steinen spricht“, so wurde er einmal beschrieben, und er selbst erklärte, dass seine Steine „von Wolken und Wind, von den Sternen und dem Schnee“ erzählten. Für Künstler, die den Stein in konkrete Formen verwandelten, wie Bruno Gironcoli mit seinem gelben Telefonhörer aus Marmor, hatte der streitbare Prantl keinerlei Verständnis.

„Gebeine der Mutter Erde“

Aber es gibt nicht nur diese spirituelle Seite seiner Skulpturen, sondern auch die politische. Nach dem Bau der Berliner Mauer 1961 initiierte er ein Symposion nahe der Mauer auf dem Platz der Republik und schuf eine Stele als Zeichen der Hoffnung. Im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen errichtete er einen mehr als sechs Meter hohen Granit zur Meditation. Seit dem Symposium Urbanum in Nürnberg 1971 beschäftigte sich Prantl mit den Steinen der „Großen Aufmarschstraße“ auf dem Reichsparteitagsgelände. 1991 legt er dann 14 Granitplatten zu seinem berühmten „Nürnberger Kreuzweg“ zusammen, der in den Boden auf der Nordseite der Nürnberger St. Lorenz Kirche eingelassen ist. „Und auch Steine leben“, meißelte Prantl in eine Platte seines Mahnmals: „Sie sind Gebeine der Mutter Erde. Missbrauch von Steinen ist wie Missbrauch von Menschen. Die 14 Steinplatten stammen von der großen Straße des nationalsozialistischen Reichsparteitagsgeländes. Sie wurden Stück für Stück von Zwangsarbeitern und Gefangenen in Konzentrationslagern bearbeitet. Jeder Stein ist Fingerabdruck eines missbrauchten und geschundenen Menschen.“

Prantl vertrat 1986 Österreich auf der Biennale Venedig, war Mitglied der Wiener und der Münchner Akademie der Künste. Vor zwei Jahren erhielt er den Großen Österreichischen Staatspreis. Am Freitag um acht Uhr früh starb er auf seinem Hof in Pöttsching (Burgenland). „Er trat vor die Haustür, brach zusammen und war sofort tot“, sagte seine Frau Uta Prantl. Er habe sich in letzter Zeit erstaunlich fit gefühlt: „Er wollte 100 Jahre alt werden, schon allein wegen der vielen Steine, die er noch ausgewählt hatte.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2010)

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