Festumzug: 90 Jahre Kärntner Volksabstimmung

Festumzug Jahre Kaerntner Volksabstimmung
Festumzug Jahre Kaerntner Volksabstimmung(c) APA/GERT EGGENBERGER (GERT EGGENBERGER)
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Kärnten feierte das Jubiläum mit Haider-Gedenken, Gästen aus Slowenien, einem Plädoyer für die Wehrpflicht und Lösungswillen in der Ortstafelfrage. Man war sichtlich um völkerverbindenden Charakter bemüht.

Während der Kärntner Abwehrkämpferbund bereits an der Ehrentribüne am Neuen Platz vorbeidefilierte, unter anderem mit dem Plakat „Kein Jugoslawe steht mehr auf Kärntner Boden“, bereitete sich die Brauchtumsgruppe „Rožmarin“ aus dem slowenischen Ptuj am Rande der Klagenfurter Altstadt noch auf ihren Auftritt vor. Nebenan stimmte sich der Trompeter einer Abordnung aus dem friulanischen Uanis ein – mit der alten österreichischen Kaiserhymne.

Vor 90 Jahren entschieden sich 59 Prozent der Südkärntner Bevölkerung in der Abstimmungszone A für den Verbleib bei Österreich, darunter viele Kärntner Slowenen. Der Festumzug glich zwar jenen der vergangenen Jahrzehnte– viel Kärntner Brauchtum und Tradition sowie das Hochhalten des Abwehrkampfs –, doch war man sichtlich um völkerverbindenden Charakter bemüht. Auch die slowenische Einheitsliste (Enotna lista) war mit dabei.

Nur der Kärntner Heimatdienst, der bei der Volksabstimmung die Pro-Österreich-Propaganda organisiert hatte, durfte heuer nicht teilnehmen. Jahrzehntelang hatte der KHD gegen die slowenische Volksgruppe agitiert, ehe er vor einigen Jahren einen erstaunlichen Schwenk hin zu einem Versöhnungskurs einleitete. So etwas wird von der politischen Führung Kärntens anscheinend nicht verziehen.

Wiewohl auch der höchste Repräsentant des Landes um Versöhnung bemüht war. Vor über 20Jahren sei in Berlin die Mauer gefallen, da müsse es doch auch möglich sein, bis 2012 das Ortstafelproblem zu lösen, sagte Landeshauptmann Gerhard Dörfler. „Wir sind ein gutes Land.“ Danach hielt er ein tagesaktuelles Plädoyer für die allgemeine Wehrpflicht.

Und während der FPK-Landeshauptmann dem „Senza confini“-Gedanken huldigte und einen kurzen Abriss über Kärntens schwierige Geschichte bot, aß FPK-Klubchef Kurt Scheuch in Reihe eins in aller Ruhe Rindfleischsalat.

Claudia Haider hatte schon vor den Reden der Politiker die Ehrentribüne verlassen. „Es war zu kalt“, meinte sie augenzwinkernd. Es wurde an diesem Tag auch ihres vor zwei Jahren verstorbenen Mannes gedacht. Der Klagenfurter FPK-Bürgermeister Christian Scheider zitierte Jörg Haider („Achte jedermanns Vaterland, aber das deinige liebe!“) und rief zu einer Gedenkminute für ihn auf. Ein Flugzeug mit dem Spruchband „Wahrheit für Jörg“ kreiste über dem Neuen Platz.

Kanzler „stolz“ auf Kärnten

„Wir sind stolz auf Kärnten“, meinte Kanzler Werner Faymann in seiner Ansprache. Er sage allen Kärntner Danke für die Vielfalt, die sie in ihrem Brauchtum hochhalten würden. Und er zitierte Jean-Claude Juncker: „Wer an Europa zweifelt, sollte Soldatenfriedhöfe besuchen.“ Es gebe zwar nach wie vor viel soziale Ungerechtigkeit in Europa, aber die EU sei dennoch das „größte Friedensprojekt unserer Generation“. Auch auf die Ortstafelfrage ging er ein: „Ohne Diktat aus Wien“ sollte diese im Konsens mit dem Bundesland und den Interessenvertretern gelöst werden.

Auch Bundespräsident Heinz Fischer, der die Gäste auf Slowenisch begrüßte, befand: „Die Zeit ist reif!“ In fairer, sachlicher und vertragstreuer Weise sollte die Ortstafelfrage gelöst werden, je schneller desto besser. Er rufe alle Beteiligten auf, „diese Reifeprüfung der Geschichte“ zu bestehen.

Vor allem die NS-Zeit, so Fischer, habe zu einer Verschärfung der Konflikte beigetragen, „es sind Ängste entstanden, es ist Blut geflossen“. Kanzler Faymann hatte explizit auch noch die Verschleppungen durch die Partisanen angesprochen.

Landeshauptmann Gerhard Dörfler ließ es sich nach Fischers Rede nicht nehmen, diesem coram publico zum Geburtstag zu gratulieren. Faymann hatte er schon zuvor für dessen Worte gedankt, dass er stolz auf Kärnten sei. „Das ist Balsam für uns“, so Dörfler.

Nach den Reden marschierten Abordnungen aller Kärntner Gemeinden an der Ehrentribüne vorbei. Der Besucherandrang hielt sich allerdings in Grenzen. Es war in erster Linie eine Veranstaltung fürs Fernsehen. Der ORF Kärnten übertrug sieben Stunden lang live.

Wissen

Kärntner Volksabstimmung. Nach dem Ersten Weltkrieg besetzten die südslawischen Truppen des SHS-Staats Südkärnten. Die Kärntner Bevölkerung lehnte sich in einem Abwehrkampf dagegen auf. Die internationale Gemeinschaft wurde darauf aufmerksam. Die Amerikaner setzten eine Volksabstimmung im gemischtsprachigen Gebiet durch. In der Abstimmungszone A, in der mehrheitlich Slowenen lebten, stimmten am 10. Oktober 1920 59 Prozent für Österreich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2010)

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