Erinnerungen werden wach: Das Grubenunglück von Lassing

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Am 17. Juli 1998 stürzte das Talk-Bergwerk im obersteirischen Lassing ein. Zehn Kumpel sterben beim Rettungsversuch für Georg Hainzl.

Das Bergwerkdrama von Chile ruft in Österreich Erinnerungen an das Grubenunglück von Lassing wach: Am 17. Juli 1998 waren in der Obersteiermark zehn Männer beim größten Bergbauunglück der Zweiten Republik ums Leben gekommen, ein Kumpel konnte wie durch ein Wunder nach neuneinhalb Tagen nahezu unverletzt geborgen werden.

Bei einem Schlammeinbruch im Talk-Bergwerk war um die Mittagszeit ein Bergmann - der damals 24-jährige Georg Hainzl - in 60 Metern Tiefe eingeschlossen worden. Nach kurzer Zeit riss der Telefonkontakt ab, es bildete sich ein Krater, in den Häuser und Straßenteile hineinrutschten. Als eine zehnköpfige Gruppe - neun Bergleute und ein Geologe - gegen 22.00 Uhr zu Sicherungsarbeiten einfuhr, kam es zur Katastrophe: Tausende Tonnen Schlamm und Wasser brachen in die Grube.

Hainzl gerettet, Kumpel verloren

Nach teilweise chaotischen Rettungsbemühungen passierte am 26. Juli um 20.30 Uhr das "Wunder von Lassing": die Bergung von Georg Hainzl. Dadurch genährte Hoffnungen für die anderen zehn Verschütteten erfüllten sich nicht - am 17. August wurde der Rettungseinsatz eingestellt.

Als Folge von Lassing sind die Berghauptmannschaften aufgelöst und das Krisenmanagement verbessert worden. Der Werksleiter und der Berghauptmann wurden verurteilt, weil der Sicherungstrupp noch einfahren durfte und zuvor zu dicht an die Oberfläche herangearbeitet worden war. Der rein finanzielle Schaden des Grubenunglücks, den der Eigentümer der Naintsch Mineralwerke Rio Tinto begleichen musste, belief sich auf rund 30 Millionen Euro.

2002 wurde auf dem aufgefüllten Krater eine Gedenkstätte errichtet. Den zehnten Jahrestag der Katastrophe begingen die Angehörigen der Opfer und die Gemeindebewohner vor zwei Jahren still: Bis auf eine kleine Zusammenkunft des Knappschaftsvereins am Donnerstagabend gab es keine Gedenkveranstaltung, so Bürgermeister Fritz Stangl im Juli 2008. Vor dem Jahrestag haben die Angehörigen den Ortschef beauftragt, eine Erklärung zu veröffentlichen, in der um Verständnis für ihre Zurückhaltung gegenüber der Öffentlichkeit geworben wird. Am Sonntag gibt es im Ort einen Gottesdienst, im Herbst eine Angelobung des Bundesheeres.

»Zehn Jahre nach dem Grubenunglück von Lassing verstehen wir Angehörigen das öffentliche Interesse, aber verstehen bitte auch Sie unsere Situation als Hinterbliebene: Jede Erörterung der damaligen Geschehnisse und ihrer bis heute und in alle Zukunft wirkenden Folgen ruft bei uns auch den Schmerz wieder hervor. Jede Frage danach zwingt uns, alle emotionalen Belastungen wieder zu erleiden.

Deshalb haben wir beschlossen, uns dem öffentlichen Interesse nur mit dieser Erklärung zu stellen. Wir nehmen den Jahrestag zum Anlass, nochmals für die enorme persönliche und aufrichtige Hilfe und Anteilnahme von so vielen Menschen zu danken. Dieser Dank gilt insbesondere allen, die sich zum Teil unter Einsatz ihrer Gesundheit und ihres Lebens bemüht haben, unsere Hoffnung am Leben zu erhalten. Es ist schwer, dafür die angemessenen Worte zu finden.

Danke auch für die Hilfe in anderer Form: Von der kleinsten Anteilnahme bis hin zu jeglicher Unterstützung. Wir alle haben in unseren Familien und bei unseren Freunden Halt, Gespräch und Umarmung gefunden. Das hat geholfen, nicht zu verzweifeln und weiterzuleben, auch für die Zukunft unserer Kinder. Wir sehen das als ermutigendes Beispiel für alle Menschen, die je so großem Leid ausgesetzt sind. Bestimmt war und ist das ganz im Sinne aller verunglückten Männer, die jeden einzelnen Tag in unserem Leben fehlen, in unserem Herzen und in unseren Kindern weiterleben.«

Die Erklärung im Wortlaut

(APA/Red.)

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