Zählfähigkeit

Wie kamen die Zahlen?

Kinder zählen sich an den Fingern in die Welt der Zahlen ein, vielleicht war es bei der Menschheit auch so.
Kinder zählen sich an den Fingern in die Welt der Zahlen ein, vielleicht war es bei der Menschheit auch so.Michèle Constantini/picturedesk
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Ob unsere Fähigkeitzuzählen ein Erbe der Evolution ist oder erst mit der Kultur entwickelt wurde, ist umstritten: Die Ursprünge liegen im Dunkeln.

Vor über 60.000 Jahren zog ein Neandertaler in der Höhle von Les Pradelles in Westfrankreich mit einem spitzen Werkzeug neun Kerben in einen Schenkelknochen einer Hyäne. Das war im Prinzip nichts Neues, es gibt viel ältere Schnittspuren in Knochen, zufällig entstanden beim Entbeinen von Fleisch, und es gibt viel ältere eingegrabene geometrische Muster in verschiedenen Materialien, Rötel etwa. Aber die Kerben im Knochen von Les Pradelles sehen anders aus, weder nach Zufall noch nach Plan – sie haben kein Gleichmaß, keine geordneten Abstände und/oder Längen –, Francesco d'Errico, Archäologe an der Universität von Bordeaux, sieht in ihnen deshalb etwas anderes als abgerutschte Schnitte oder Schmuck- bzw. Kunstwerke: Er nimmt sie als ersten Beleg dafür, dass Menschen das Zählen – bzw. die Zahlen – erfunden bzw. in einem Gegenstand manifestiert haben (Philosophical Transactions Royal Society B 373, S. 20160518).

Haben sie das, ausgerechnet die Neandertaler – damals gab es noch keinen Homo sapiens in Europa –, wie kam diese Fähigkeit überhaupt in die Welt bzw. in die Köpfe, und in welche? Es liegt im Dunkeln und ist umstritten, schon in der Frage, ob die Biologie die Grundlagen entwickelte und in der Evolution verfeinerte oder ob erst die Kultur zu dieser Leistung fähig war. Für Ersteres spricht, dass das Leben immer schon daran hing, die Mengen lockenden Futters und bedrohlicher Räuber abzuschätzen: Viele Tiere können kleine Quantitäten unterscheiden, von eins bis vier, Bienen sind dazu ebenso in der Lage wie Fische, besonders hervorgetan haben sich Hühnerküken – vielleicht wurde mit ihnen durch Rosa Rugani (Padua) auch nur besonders ausgiebig experimentiert (Philosophical Transactions 20160509) –, und viele Tiere realisieren auch in die Augen fallende Unterschiede, etwa den zwischen eins und 20, nicht aber so feine wie den zwischen 20 und 21.

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