Mein Freitag

Die letzten Brösel könnten die besten sein

APA/dpa
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Nur Spielverderber zählen Ferientage herunter.

Der große Kuchen ist fast aufgegessen, nun geht es um die letzten Brösel. Alles, wofür man unendlich viel Zeit hatte und was daher lässig auf später verschoben wurde, muss nun wirklich stattfinden, sonst geht es sich nicht mehr aus. Die Tage herunter zu zählen darf man nur heimlich. So lang noch, fragen sich Eltern. So kurz noch, die Schüler. Die Hoffnung ist groß, dass ein normales Semester beginnt, mit Ärger über Hausübungen, das frühe Aufstehen und unfaire Lehrer. Gleichzeitig hat das Hoffen noch nie viel geholfen, wenn es nicht von Taten begleitet wird.

In vielen Regionen haben Unwetter viel Unglück gebracht, in anderen prachtvolle Ernten. Die Bäume biegen sich mit Äpfeln, Birnen und Zwetschken und auch die Trauben sehen gut aus. Diese Üppigkeit wirkt wie ein übertriebenes Geschenk. Annehmen wird man es dennoch gern. Eine Erinnerung an die Uroma: „Nimm, wenn man Dir gibt und schrei, wenn man Dir nimmt.“ Sie hat mit ihrem Nachkriegs-Pragmatismus vorweggenommen, was nun alle einfordern, die sich für zu kurz gekommen halten. Die Selbstreflexion versagt immer öfter. Wenn alle nehmen, was dann?

Das große Nehmen ist auch ein Thema für Fußballfans. Beim Vereinsfußball ist es offenbar zunehmend so wie in der Politik, die Anhängerschaft orientiert sich eher an einzelnen Spielern denn am Verein. Die jüngsten Transferwechsel stellen die Älteren unter uns auf eine harte Probe. David Alaba zu Real Madrid zu folgen scheint ein Ding der Unmöglichkeit, ebenso wie etwa Lionel Messi im PSG-Trikot ansehen zu können.

Die Jüngeren wollen uns Sentimentalen mehr Ungerührtheit lehren. Wer ihnen dies vorwirft, vergisst, wessen Kinder sie sind. Es hat wenig Zweck, an Loyalität zu appellieren, wenn der Reichtum anklopft. Man sollte einmal zuhören, warum dies vielen als einzige Sicherheit scheint.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2021)

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