Diagnose und Behandlung

Der wichtigste Faktor ist Zeit

Breitet sich ein Erreger in der Blutbahn aus, kommt es zu einer Sepsis, landläufig „Blutvergiftung“ genannt. Im Extremfall reagiert der Körper mit einem lebensbedrohlichen septischen Schock.
Breitet sich ein Erreger in der Blutbahn aus, kommt es zu einer Sepsis, landläufig „Blutvergiftung“ genannt. Im Extremfall reagiert der Körper mit einem lebensbedrohlichen septischen Schock. Getty Images/iStockphoto
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Sepsis gehört hierzulande zu den häufigsten Todesursachen. Im September starten die Arbeiten zu einem nationalen Aktionsplan.

In Europa versterben rund 500.000 Menschen jährlich an einer Sepsis. Für Österreich fehlen genaue Daten, Hochrechnungen gehen von 28.000 Erkrankten und von rund 6700 Sepsis-bedingten Todesfällen pro Jahr aus. „Das sind acht Prozent der Todesfälle in Österreich. An Herzinfarkt und Schlaganfall sterben jeweils 5,7 Prozent“, vergleicht Heinz Burgmann, Leiter der Universitätsklinik für Innere Medizin I am AKH Wien. Deshalb arbeiten aktuell die Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) und das Gesundheitsministerium an einem nationalen Aktionsplan Sepsis. „Er soll österreichweit zu mehr Bewusstsein für die Erkrankung, insbesondere auch unter Ersthelfern und Behandlern im niedergelassenen Bereich, und zur Etablierung optimaler Rahmenbedingungen für Diagnose und Management der Sepsis beitragen“, sagt Eva Schaden, stellvertretende Präsidentin der Gesellschaft im Bereich Intensivmedizin.

Unter einer Sepsis, auch Blutvergiftung genannt, versteht man eine überschießende Immunantwort des Körpers auf eine Infektion. Sie kann Organe schädigen und für die Betroffenen lebensgefährlich werden. „Die genaue Ursache der überschießenden Reaktion ist nicht bekannt. Genetische Faktoren dürften eine wichtige Rolle spielen. Oftmals verstirbt der Patient nicht durch die Eigenschaften des Pathogens, sondern durch die Reaktion des Körpers auf das Pathogen“, erklärt Burgmann. Diese Pathogene können etwa Bakterien, Viren, Pilze oder Parasiten sein. Auch durch Verletzungen und schlecht heilende Wunden als Eintrittspforte oder als Folge operativer Eingriffe kann es zu einer Sepsis kommen. Am häufigsten betrifft eine Sepsis ältere Menschen über 65 Jahre und Kinder unter einem Jahr. Auch Menschen mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes oder Krebs sind Risikopatienten. Entscheidend bei einer Sepsis ist der Zeitfaktor. „Eine Sepsis kann zu Schock und Multiorganversagen führen, insbesondere, wenn sie nicht frühzeitig erkannt und behandelt wird“, sagt Schaden.

Unspezifische Symptome

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Das Erkennen einer Sepsis ist schwierig. „Oftmals Fieber, aber auch Untertemperatur, beschleunigter Herzschlag, niedriger Blutdruck, Verwirrtheit und Atemnot“, zählt Burgmann die Symptome auf. Weil sie so vielfältig sind, kann auch die Diagnose dauern. Denn Müdigkeit, Schwächegefühl und Übelkeit können auch andere Ursachen haben. Im Falle einer Verschlechterung bei einer Infektion besteht aber immer auch der Verdacht auf das sogenannte Systemic Inflammatory Response Syndrome. Das wird charakterisiert durch Fieber über 38 Grad oder Unterkühlung, beschleunigte Herz- und hohe Atemfrequenz. Für medizinische Laien sind die Symptome schwer einzuordnen, doch wenn sich der Allgemeinzustand rasch verschlechtert, Atemnot, Herzrasen und Blutdruckabfall erkennbar sind, sollte sofort ärztliche Hilfe gerufen werden.

„Je später die korrekte Diagnose erfolgt und eine angemessene Therapie eingeleitet werden kann, desto dramatischer ist der Verlauf. Da kann dann oft auch die moderne Intensivmedizin mit ihren Möglichkeiten die Gesundheit und Lebensqualität nicht wiederherstellen“, warnt Schaden. Es zähle bei der Diagnostik und der Therapie jede Minute. Daher sei es wichtig, nicht nur bei den Angehörigen, sondern auch in Spitälern, bei niedergelassenen Behandlern, in Pflegeheimen oder in der 24-Stunden-Pflege Bewusstsein für Alarmsignale der Sepsis zu schaffen.

Ist eine Blutvergiftung erkannt, hat die Therapie das primäre Ziel, die Körperfunktionen aufrechtzuerhalten und zu stabilisieren. Darüber hinaus wird die Infektion bekämpft. Vielfach erfolgt diese Therapie auf den intensivmedizinischen Stationen, vor allem im Falle eines septischen Schocks und/oder Organversagens. Schon bei der Aufnahme wird Blut abgenommen, um den auslösenden Erreger zu bestimmen. Weitere Blutwerte geben Auskunft über die Funktionsfähigkeit lebenswichtiger Organe und des Herz-Kreislauf-Systems. Da die Bestimmung der Erreger mehrere Tage dauern kann, wird sofort ein Breitbandantibiotikum intravenös verabreicht. Um den Kreislauf zu stabilisieren, wird der Patient außerdem mit Flüssigkeit versorgt. Je nach Bedarf wird der Patient zudem über eine Nasensonde mit Sauerstoff versorgt oder künstlich beatmet. In Deutschland gibt es für die Behandlung spezifische Sepsis-Leitlinien, die hierzulande noch fehlen. Fragen nach der Beatmung eines Patienten und dessen Lagerung oder der Ernährung bei septischem Schock werden in diesen Leitlinien beantwortet.Bei einer Sepsis breiten sich Erreger (Bakterien, Viren, Pilze . . .) in der Blutbahn aus. Daher auch „Blutvergiftung“. Die schweren Folgen der Sepsis rühren aber weniger vom Erreger selbst, sondern von der überschießenden Immunreaktion, die Grundlage der modernen Definition der Sepsis ist.

Durch die Immunreaktion kommt es unter anderem zu einer Weitstellung der Gefäße mit möglicherweise dramatischem Blutdruckabfall („Septischer Schock“) sowie weiteren Schädigungen durch die Entzündung. Eine Sepsis kann zu Kreislaufversagen, Multiorganversagen und Tod führen. Durchblutungsstörungen können nicht nur Organe schädigen, auch Amputationen können notwendig werden.

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