Budget: 2025 könnten die Schulden das BIP auffressen

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Ohne Konsolidierung steigt die Zinslast der Republik in fünfzehn Jahren auf 26 Mrd. Euro, meint die Industriellenvereinigung. Daher müsse radikal gespart werden – zum Beispiel im Gesundheitssystem.

Wien/hie. Österreichs Schuldenberg wächst und wächst: Ende des zweiten Quartals 2010 erreichte die Staatsverschuldung mit 69,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) den höchsten Stand in der Geschichte der Zweiten Republik. Noch vor dem Jahreswechsel wird der Wert deutlich über 70 Prozent betragen, schätzte die Statistik Austria vor wenigen Wochen. 2007 war das noch anders: Da erfüllte Österreich zum ersten – und bisher einzigen – Mal die Auflagen des Stabilitätspakts, der den Euro-Ländern maximal 60 Prozent Staatsverschuldung erlaubt.

Ohne Einschnitte wird Österreich die Rückkehr zu diesem Zustand nicht gelingen, glaubt man den Berechnungen der Industriellenvereinigung (IV). Deren Schätzungen zufolge ist ein strukturelles Konsolidierungsvolumen von jährlich 2,5 bis 3,5 Prozent des BIPs erforderlich. Mit anderen Worten: Österreich muss über zehn Jahre lang jährlich einen Wert zwischen sieben und zehn Milliarden Euro einsparen, um bis zum Jahr 2025 die Maastricht-Obergrenze wieder zu erreichen. Auch, wenn sich die Konjunktur gut entwickelt.

Ohne Konsolidierung wären die Folgen laut IV dramatisch: 2014 würde die offizielle öffentliche Verschuldung bei 78 Prozent des BIPs liegen (ausgelagerte Verbindlichkeiten wie jene von ÖBB und Asfinag nicht eingerechnet). Allein die Kosten zur Bedienung der Zinsen würden bis dann auf elf Mrd. Euro klettern – das sind 60 Prozent mehr als 2008. In 15 Jahren könnte der Schuldenberg fast so hoch sein wie die gesamte Wirtschaftsleistung, was den Zinsendienst auf 26 Mrd. Euro oder fünf Prozent des BIPs im Jahr treiben würde – ohne, dass ein Euro zurückgezahlt worden wäre.

In Österreich nehmen die realen Zinskosten um 0,7Prozentpunkte schneller zu als das Wirtschaftswachstum. Erreicht die Schuldenquote zusätzlich 70 Prozent des BIPs oder mehr, so sei ein rascher Schuldenabbau besser als eine langsame, aber dafür stetige Konsolidierung. Das habe die EU-Kommission berechnet. „Die Rückführung der Verschuldung ist daher unabdingbar“, so IV-Präsident Veit Sorger.

Spitalsaufenthalte reduzieren


Am Sparpotenzial fehlt es der IV zufolge nicht. Genannt werden die bekannten „Hits“: Verwaltung, Pensionen und Gesundheit. 2008 hätten die Ausgaben für das Gesundheitssystem 29,5 Mrd. Euro bzw. 10,5 Prozent des BIPs betragen. Damit liegt Österreich im EU-Schnitt an dritter Stelle. Die IV kritisiert vor allem die aufwendigen Parallelstrukturen, die unnötige Mehrkosten bei einem gleichzeitigen Mangel an Qualität verursacht haben. So seien 2008 in Österreich 28 von 100 Einwohnern stationär ins Krankenhaus aufgenommen worden. Ein absoluter Spitzenwert in der EU, der laut IV nicht nötig ist: Denn häufig seien ambulante Behandlungen ebenso erfolgreich, dafür ökonomischer. Beschränke man die Krankenhausaufenthalte auf die notwendigen Fälle, könnten jährlich rund 210 Mio. Euro eingespart werden. Auch bei den Akutbetten ist Österreich mit 6,4 Stück pro 1000Einwohner EU-Spitze. Die Anpassung an den EU-Durchschnitt (vier) würde jährlich 2,9 Mrd. Euro bringen.

Sparpotenzial gebe es auch bei den Pensionen. Standen vor 40 Jahren in einem durchschnittlichen Leben 43Arbeitsjahre 34 Nichtarbeitsjahren gegenüber, so ist das Verhältnis heute 35 zu 48. Männer gehen mit 59,1 Jahren in Pension, Frauen mit 57,1 Jahren. Eine Erhöhung des tatsächlichen Antrittsalters um ein Jahr brächte laut IV 1,2 Mrd. Euro jährlich. Hebt man das Antrittsalter um vier Jahre auf den OECD-Schnitt an, könnte man fünf Mrd. Euro sparen. Auch im Bildungsbereich – Stichwort: Schule – könnten hunderte Millionen Euro eingespart werden.

Nur MöSt-Erhöhung „gangbar“


Erst wenn glaubwürdig an den Ausgaben gespart und Strukturreformen in Gang gesetzt wurden, dürfe über zusätzliche Einnahmen gesprochen werden, sagte IV-Generalsekretär Markus Beyrer. Absolut indiskutabel seien ein Antasten der Gruppenbesteuerung und eine Besteuerung der Vermögenssubstanz. Einzig eine Anhebung der Mineralölsteuer um fünf Cent pro Liter Diesel oder Benzin sei ein „gangbarer Weg“. Das sei weniger konsumdämpfend als direkte Steuern und würde 385 Mio. Euro ins Budget spülen.

Auf einen Blick

Laut Industriellenvereinigung müssten über mindestens zehn Jahre hinweg jährlich zwischen 2,5 und 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) eingespart werden, damit Österreichs Schuldenstand bis 2025 unter die Maastricht-Grenze von 60 Prozent sinkt. Ohne Konsolidierung werde die öffentliche Verschuldung 2014 bereits 78 Prozent des BIP betragen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2010)

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