Gastbeitrag

Nachruf auf einen großen Ermöglicher

Caspar Einem (1948–2021) war ein wichtiger Förderer der unabhängigen Wissenschaft und Politikforschung.

Die Reaktionen auf den plötzlichen Tod von Caspar Einem haben gezeigt, dass er vielen Menschen unterschiedlicher politischer Überzeugung viel bedeutet hat. All jenen, die an ein weltoffenes, progressives Österreich jenseits des Kleingeists und der Parteilichkeit glauben, war er Symbol für aufrichtige Politik, die an Dialog, Demokratie und Gerechtigkeit orientiert ist. Besonders seine Verdienste als letzter liberaler, gar „linker“ Innenminister, der sich dem wachsenden Rechtspopulismus entgegengesetzt hat, sind in Erinnerung geblieben.

Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

>>> Mehr aus der Rubrik „Gastkommentare“

Weniger Beachtung findet im Gedenken, dass er auch Wissenschaftsminister war und in dieser Funktion einiges bewegt hat, beispielsweise in der Frauenförderung, die er in der universitären Berufungspolitik gegen große Widerstände der Männerbünde konsequent betrieben hat. Kaum bekannt ist weiters, dass er sich als Europasprecher der SPÖ und Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses im Nationalrat in der österreichischen Außenpolitik engagiert hat, insbesondere für die Schaffung einer Gesprächsbasis zwischen Konfliktparteien im Nahen Osten.

Aus dem Großbürgertum stammend hatte Einem eine privilegierte soziale Stellung. Diese hat er nie negiert, sondern für wichtige gesellschaftliche Anliegen eingesetzt. Er verstand das Spiel der Macht, ohne sich anzupassen oder anzubiedern.

So hat er die außeruniversitäre Wissenschaft und Forschung unterstützt, insbesondere für die Sozialwissenschaften und die internationale Politikforschung. Ab 2011 war er Präsident des Österreichischen Instituts für Internationale Politik – OIIP. Später wurde er Vizepräsident des Europäischen Forums Alpbach und des Instituts für Höhere Studien. Diese Tätigkeiten sind keineswegs als Fußnoten zu seiner Karriere in Politik und Industrie anzusehen, sondern stehen für unbeirrbares und unermüdliches Wirken für die freie Wissenschaft und für die politikrelevante evidenzbasierte Forschung zu außen- und sicherheitspolitischen Themen.

Er wollte in diesen Bereichen etwas verändern, verbessern. Frei nach Hannah Arendts Politikbegriff stellte er dabei das gemeinsame Handeln in den Vordergrund, jenseits von Ideologie und Lagerdenken. So hat er mit einem Team aus Wissenschaftlern das OIIP unter den schwierigen Bedingungen in der österreichischen Forschungslandschaft auf stabile Beine gestellt und zu einer der wenigen Einrichtungen gemacht, die Grundlagenforschung zu Außen- und Sicherheitspolitik betreiben und Politikberatung anbieten. Um dies zu ermöglichen, hat er seine Zeit und Kontakte und sein Wissen großzügig und selbstlos zur Verfügung gestellt sowie den Beteiligten angesichts der oftmals prekären Lage immer wieder Mut gemacht.

Ganz unösterreichisch

Hartnäckig, geradezu stur verfolgte er die Idee einer allgemeinen Finanzierungsstruktur für die außeruniversitäre Forschung, die sich an jener der Leibniz-Gesellschaft in Deutschland orientierten sollte. Er wollte dadurch hohe Qualität und Praxisrelevanz in einer vielfältigen und unabhängigen Forschungslandschaft sicherstellen. Auch dies betrieb er – ganz unösterreichisch – nicht nur für „seine“, sondern für alle vergleichbaren Institutionen. So war Caspar Einem. Einer, der sich für die gute Sache jenseits von Ideologie und Lagerdenken einsetzte. Sein plötzlicher Tod ist nicht nur für die betroffenen Institutionen, sondern für den gesamten Forschungsstandort Österreich ein großer Verlust.

Saskia Stachowitsch (* 1980) ist wissenschaftliche Leiterin des Österreichischen Instituts für Internationale Politik (OIIP) und FWF Senior Research Fellow, Central European University (CEU).

Cengiz Günay
(1973) ist stv. wissens.

Leiter des OIIP und Lektor an der Uni Wien.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2021)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.