Güterbahn

Europas Logistiker auf Schiene

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Logistik(c) RCG Illemann
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Die angestrebte Breitspurverbindung von der Slowakei nach Wien wird wohl nicht kommen. Am wachsenden Güterstrom aus Asien entlang der Neuen Seidenstraße will man dennoch teilhaben.

Es war im März 2019, als Österreich gemeinsam mit der Slowakei und Russland eine Absichtserklärung zum Ausbau der Breitspurverbindung für Güterzüge unterzeichnete. Die verbesserte Schieneninfrastruktur durch eine Verlängerung der Breitspurbahn von der slowakischen Grenze bis nach Wien sollte das österreichische Bahnnetz mit dem asiatischen Raum verbinden. Bei der BGP Breitspurplanungsgesellschaft rechnete man noch im April 2021 vor: „Der Transport eines TEU-Containers von China nach Wien dauert üblicherweise auf dem Seeweg 35 Tage und kostet 30.000 Euro. Auf der Schiene geht das mit 14 Tagen doppelt so schnell und mit 5000 Euro pro TEU sechsmal günstiger als auf dem Wasserweg.“

Breitspur ad acta gelegt

Nur wenige Wochen später war das anfänglich vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie forcierte Projekt dennoch ad acta gelegt. Die breite Widerstandsfront aus Niederösterreich, wo ein zentraler Güterterminal geplant war, scheint sich durchgesetzt zu haben. „Die Breitspurbahn hätte unsere Region überfordert“, heißt es im Büro von NÖ-Mobilitätslandesrat Ludwig Schleritzko. Man hätte mit einem Plus von 266.000 Lkw-Fahrten pro Jahr und einer schweren Belastung des Pendlerverkehrs durch den Weitertransport der Waren auf 56 Güterzügen pro Tag zu rechnen gehabt. „Das wäre mit den Zielen der europäischen Verkehrspolitik und den regionalen Entwicklungsmöglichkeiten nicht vereinbar gewesen“, so Schleritzko.

Unbestritten ist bei Befürwortern wie Gegnern des Breitspurprojekts, dass der stetig zunehmende Warenstrom zwischen Asien und Europa künftig so effizient und umweltschonend wie möglich vonstattengehen muss. Bereits heute verkehren mehr als 3000 Güterzüge pro Jahr zwischen Asien und Europa, wobei der größte Teil der Güter auf der Schiene bis nach Mittel- und Osteuropa gelangt, bevor diese umgeladen und auf der Straße zu ihren Bestimmungsorten gebracht werden. Schon vor der Pandemie und dem Vorfall im Suez-Kanal wurde laut einer Deloitte-Studie ein Anstieg von 500 Prozent dieses Schienengüterverkehrs bis 2030 prognostiziert. Güter vor allem per Bahn zu transportieren entspricht 2021, im Europäischen Jahr der Schiene, auch grundsätzlich den Plänen der EU-Kommission. Bislang rollen in der EU nur etwa elf Prozent des Güterverkehrs über die Schiene. Die Vorteile des Güterfernverkehrs sollen künftig stärker hervorgestrichen werden, um den Bahnanteil zu erhöhen.

Neue Seidenstraße

Peking ist der Ausbau des Zugsverkehrs nach Europa als strategische Alternative zu Schiff und Flugzeug schon seit Jahren ein Anliegen. Im Rahmen der „Neue Seidenstraße“-Initiative“ (Belt and Road Initiative) wurde in den letzten Jahren der Transport über die Schiene subventioniert, und China investierte massiv in den Ausbau eines modernen Hochgeschwindigkeitsnetzes und die Infrastruktur. Zuletzt kamen neue Routen etwa von Chengdu nach Rotterdam und von Xian nach Neuss in Deutschland dazu.

Davon profitieren auch österreichische Unternehmen wie die Rail Cargo Group (RCG), die seit 2017 auf allen Routen der Seidenstraße aktiv ist. Seit Juni 2021 ist das Cargo-Center Graz bei Werndorf Teil der Neuen Seidenstraße. Die Schienenroute ist laut RCG-Vertriebs- und -Logistikvorstand Thomas Kargl für Graz mehr als eine willkommene Nische: „Durch die Anbindung der Neuen Seidenstraße an das Netzwerk der ÖBB Rail Cargo Group gewährleisten wir den schnellen Transport in ganz Europa, leisten einen wesentlichen Beitrag, um CO2 im Transportsektor einzusparen und so die österreichischen und europäischen Klimaziele zu erreichen“, streicht er einige Punkte heraus. Dank der leistungsfähigen Schienenanbindung an die Neue Seidenstraße verfüge man über eine zusätzliche Alternative zum maritimen Seefrachtverkehr.

Terminal in Wien

Die kontinentale Seidenstraße gilt außerdem als kostengünstige und umweltfreundliche Ersatzlösung zum Luftfrachtverkehr. „Als Binnenland ohne direkten Zugang zu hochrangigen Verkehrsknotenpunkten ist eine transkontinentale Schienenanbindung an Asien Österreichs historische Chance, seine Position als Drehscheibe für Warenströme in Zentral- und Osteuropa auszubauen“, plädiert auch Alexander Friesz, Präsident des Zentralverbandes Spedition & Logistik, für eine Intensivierung des Güterverkehrs auf der Schiene.

Ein Terminal im Großraum Wien würde demnach neue Chancen und Möglichkeiten eröffnen, die Warenströme in Zukunft mitzugestalten und zu beeinflussen. „Die Kosten wären geringer als jene für den Bau des Brenner-Basistunnels, die Potenziale für heimische Unternehmen durch internationale Betriebsansiedlungen in Österreich und neue Marktchancen in der Seidenstraßen-Region hingegen sehr groß“, argumentiert Friesz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2021)

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