Pizzicato

Rapunzel und Rasputin

Man stelle sich vor: das Weiße Haus als Trutzburg mit Bösewichten und Hofnarren, edlen Fräulein und finsteren Prinzessinnen.

In „I'll Take Your Questions Now“, dem jüngsten Enthüllungsbuch aus der Trump-Ära, schildert Stephanie Grisham das Personal, als wäre es einem Schauermärchen entsprungen. Wer hätte besseren Einblick in die Schlüsselllochperspektive der Macht als die Pressesprecherin des Ex-Präsidenten und seiner First Lady?
Sie erzählt darin, wie Zar Wladimir mit Psychotricks und einer langbeinigen Dolmetscherin den König von Trumpworld um den Verstand zu bringen versuchte; wie Donald I. sein Haar mit einer Schere, die fürs Durchschneiden von Ehrenbändern geeignet wäre, selbst stutzte. Freilich nicht jenes von Königin Melania, der der Secret Service den passenden Spitznamen „Rapunzel“ gab. Ihren Schönheitsschlaf unterbrach sie nicht einmal in der Wahlnacht.
Anderen galt Melania als Marie Antoinette. In der First Family gab es daneben „Prinzessin“ Ivanka und Jared alias „Rasputin“ – ohne Bart, als Milchbubi im Slim-Fit-Anzug. Samt Hofnarren, der den erzürnten König mit Musical-Hits à la „Memory“ aus „Cats“ zu kalmieren suchte. Und wenngleich sie sich durch die Hintertür aus der Burg davongestohlen haben, so leben sie weiter im Prunk – in der Erwartung, dereinst ins Weiße Haus zurückzukehren.

Reaktionen an: thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2021)

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