Auszeichnung

Physik-Nobelpreis für Entwicklung des Klimas

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Syukuro Manabe und Klaus Hasselmann werden für ihre Klimaforschung ausgezeichnet, Giorgio Parisi für seine Arbeit zu komplexen physikalischen Systemen.

Das Wetter ist ein hochgradig unordentliches, oft chaotisches Phänomen, sehr schwer zu beschreiben und vorherzusagen, vor allem für längere Zeiträume. Wie können dann Forscher für die Entwicklung des Klimas – das ja nichts ist als das Wetter, nur über einen längeren Zeitraum betrachtet und statistisch gemittelt – halbwegs zuverlässige Modelle aufstellen? Forschung, die sich mit dieser Frage befasst, wird heuer mit den Nobelpreisen aus Physik belohnt. Es geht, so fasst es die Königliche Schwedische Akademie der Wissenschaften zusammen, um „bahnbrechende Beiträge zu unserem Verständnis komplexer physikalischer Systeme“.

Mit Klaus Hasselmann (Deutschland) und Syukuro Manabe (USA/Japan) bekommen den Preis heuer zwei Meteorologen. Zu einer Hälfte. Die andere bekommt der Italiener Giorgio Parisi.

Das Klima verändert sich, weil die Konzentration von Kohlendioxid und anderen Gasen, etwa Wasserdampf und Methan, in der Atmosphäre steigt. Treibhauseffekt nennt man das. Dass dieser Effekt real und zu einem beträchtlichen Teil von Menschen bewirkt ist, darauf können sich heute alle einschlägig bewanderten Forscher einigen. Der Erste, der ihn in einem Modell erklären konnte, war der Syukuro Manabe in den späten Sechziger- und frühen Siebzigerjahren.

Wie (fast) alle Energie auf Erden kommt auch die Energie, die den Treibhauseffekt treibt, von der Sonne. Deren Strahlung wird von der Erde und ihrer Atmosphäre zu ungefähr 30 Prozent reflektiert, aber zu 70 Prozent absorbiert. Dadurch erwärmt sich die Atmosphäre, die warme Luft steigt auf. Dadurch wird auch Wasserdampf – das stärkste Treibhausgas – in höhere Schichten transportiert, wo er kondensiert und dabei Wärme freigibt. Mit Modellrechnungen – auf einem Computer mit einem Arbeitsspeicher von 0,5 Megabyte! – untersuchte Manabe, welche anderen Gase diesen Prozess beeinflussen, indem sie einen Teil der vom Boden abgegebenen Wärmestrahlung absorbieren, die sonst ins Weltall entweichen würde

Ergebnis: Kohlendioxid hat einen starken Einfluss, Sauerstoff und Stickstoff haben fast keinen. Für eine Verdopplung der CO2-Konzentrationen erhielt Manabe einen Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um über zwei Grad. Vor allem aber konnte er zeigen, dass an der Erderwärmung nicht nur stärkere Sonnenstrahlung schuld sein kann. Denn diese würde die ganze Atmosphäre gleichmäßig erwärmen; die Unterschiede in der Erwärmung zwischen den Luftschichten lässt sich nur durch die Rolle des CO2 erklären.

Manabes Modell war recht simpel, es berücksichtigte etwa nicht, dass die Sonneneinstrahlung auf der Erde sehr ungleichmäßig verteilt ist, sowohl übers Jahr als auch über die Regionen. Diese Ungleichverteilung bewirkt gigantischen Wärmetransport, und dieser treibt das Wetter. Man kann dieses mit etlichen Variablen – Lufttemperatur, Luftdruck, Luftfeuchtigkeit, Windgeschwindigkeit etc. – beschreiben und diese Variablen mit partiellen Differenzialgleichungen verbinden, doch diese Gleichungen sind hochgradig nicht-linear, führen oft ins Chaos, in die Unvorhersagbarkeit.

Inspiriert von Einsteins Beschreibung der Brownschen Bewegung (eines Teilchens in einer Flüssigkeit, das sich scheinbar zufällig bewegt), wagte sich der deutsche Meteorologe Klaus Hasselmann dennoch an die Beschreibung des Klimas, zunächst in den Ozeanen. Er konnte zeigen, wie schnelle, scheinbar zufällige Änderungen in der Atmosphäre langsame Änderungen in den Ozeanen bewirken.

Dann wandte sich Hasselmann einer Frage zu, die heute noch oft gestellt wird: Wie kann man nachweisen, dass es menschliche Einflüsse sind, die das Klima ändern? „Fingerprinting“ nannte er diese – und zeigte, dass sich der Anstieg der mittleren Temperaturen ab 1960 nicht mehr durch rein „natürliche“ Einflüsse wie Vulkanausbrüche erklären lässt.

Parisi: Wie in einer Tragödie Shakespeares

Klaus Hasselmann und Syukuro Manabe teilen sich die eine Hälfte des Nobelpreises. Überraschenderweise entschloss sich die Akademie zu einer Kombination mit Forschung, die höchstens indirekt mit dem Klima zu tun hat: Die andere Hälfte des Preises geht an Giorgio Parisi, einen theoretischen Physiker, der zunächst an der Theorie subatomarer Teilchen arbeitete, etwa an der Quantenchromodynamik, der Theorie der Quarks, die die Teilchen im Atomkern bilden. Von dort kam er auf statistische, stochastische Probleme, die er etwa am recht exotischen Phänomen der Spin-Gläser untersuchte, in denen sich Atome quasi auf Kompromisse einigen müssen, mit dem Grundproblem „Wenn zwei Atome unterschiedlichen Spin haben und ein drittes dazu kommt, wie orientiert es sich dann?"

Es sei wie in einer Tragödie Shakespeares, schrieb Parisi in einem Vorwort, wenn man sich zugleich mit zwei Menschen anfreunden wolle, die miteinander verfeindet sind, könne das frustrierend sein. Bei der mathematischen Beschreibung – nicht der Menschen, sondern der Gläser – stieß Parisi auf den Begriff der ultrametrischen Struktur von komplexen Systemen, der sich ebenfalls in der Biologie anwenden lässt, aber auch für die Neurowissenschaft oder die sogenannte künstliche Intelligenz.
Überall spielt das Wechselspiel zwischen Ordnung und Unordnung eine Rolle: Die Themenvielfalt der Arbeiten Parisis zeigt beeindruckend, wie praktisch und vielseitig gute theoretische Modelle sein können. Die Kombination mit der Klimaforschung mutet aber doch etwas konstruiert an.

Dennoch äußerte sich Parisi sofort nach der Jubelnachricht zum Klima: Der Kampf gegen die Klimakrise sei wenige Wochen vor der Weltklimakonferenz COP26 für äußerst dringend. „Es ist klar, dass wir für künftige Generationen jetzt sehr schnell handeln müssen.“ Sein Nobelkollege Klaus Hasselmann erklärte, er wolle den Preis als Ansporn für weitere Forschungen nehmen. Einstweilen sei er noch ganz überrascht: „Ich will gar nicht aufwachen, für mich ist das ein schöner Traum. Ich bin ja jetzt pensioniert und in letzter Zeit war ich ein bisschen faul. Ich freu mich über die Ehre. Die Forschung geht weiter.“

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