Studie

Ernüchternder EU-Bericht zu Gleichstellung

Große Ungleichheit zwischen Männern und Frauen besteht weiterhin im Bereich Führungspositionen
Große Ungleichheit zwischen Männern und Frauen besteht weiterhin im Bereich Führungspositionen(c) imago images/Shotshop (DC_2 via www.imago-images.de)
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Bis zur Geschlechterparität wird es bei diesem Tempo noch fast drei Generationen dauern. Schweden bleibt großes Vorbild.

Wien/Vilnius/Brüssel. Europa kommt in Sachen Gleichstellung weiter nur schleppend voran – und dies dürfte einer Studie zufolge wegen der Coronapandemie in absehbarer Zeit auch so bleiben. Im Gleichstellungsindex 2021 erreichte die Europäische Union einen Wert von 68 von möglichen 100 Punkten, wie das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen (Eige) in Vilnius mitteilte. Österreich verbesserte sich um 1,5 Punkte und liegt nunmehr mit 68 Punkten genau im EU-Durchschnitt. EU-weit lag der Wert um lediglich 0,6 Punkte höher als bei der letzten Erhebung im Vorjahr. Bis zur vollständigen Geschlechterparität werde es bei diesem Tempo fast drei Generationen dauern, hieß es in der Studie. Vorn sind bei der Gleichstellung innerhalb der EU unverändert Schweden (83,9 Punkte) und Dänemark (77,8 Punkte), das Schlusslicht bildet weiterhin Griechenland (52,5 Punkte). Zu den größten Gewinnern gehören Luxemburg, Litauen und die Niederlande, während Slowenien als einziges der 27 EU-Länder Rückschritte machte.

„Europa hat bei der Gleichstellung der Geschlechter zerbrechliche Fortschritte gemacht. Doch durch die Coronapandemie drohen große Verluste“, mahnte Eige-Direktorin Carlien Scheele. Frauen etwa seien im Gesundheitswesen überrepräsentiert und daher einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt, für mit Corona infizierte Männer dagegen bestehe ein höheres Risiko, stationär behandelt werden zu müssen.

Der Studie zufolge besteht die größte Ungleichheit zwischen Männern und Frauen weiterhin im Bereich Führungspositionen. Trotz großer Fortschritte seit 2010 gebe es weiter deutlich weniger Frauen an den Schalthebeln in Politik und Wirtschaft. In den anderen fünf untersuchten Bereichen (Arbeit, Geld, Zeit, Wissen und Gesundheit) gehe es auch nur langsam voran. Während der Coronapandemie seien besonders die Ungleichheiten bei der unbezahlten Arbeit für Haushalt, Kinder und häusliche Pflege verstärkt worden.

Fortschritt verlangsamt

Die SPÖ-EU-Abgeordnete Evelyn Regner – Vorsitzende des Gleichstellungsausschusses im Europaparlament – forderte schnelle und umfassende Maßnahmen zur Gleichstellung. „Wenn das so bleibt, erreichen wir eine Gleichstellung zwischen Mann und Frau frühestens im Jahr 2085. Und selbst diese Prognose ist durch Covid-19 gefährdet.“

In Österreich habe sich der Fortschritt deutlich verlangsamt, so Regner. „Es gibt kaum Wachstum bei der Anzahl der Vollzeitstellen für Frauen, der Gender Pay Gap ist einer der europaweit größten, Frauen tragen einen überproportional größeren Anteil an Pflegeaufgaben. Und während wir in Österreich vor wenigen Tagen den bereits 22. Femizid in diesem Jahr zu beklagen hatten, sind die in diesem Bereich erhobenen Daten bisher nicht vergleichbar beziehungsweise gar nicht einmal vorhanden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2021)

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