Flandern: Kunst, Schwäne und Kähne am Meer

Flandern und Flanieren klingen nur zufällig ähnlich, es könnte aber gar nicht besser passen: Flaneure sehen mehr als Eilige in Gent oder Brügge.

Nicht nur das entschleunigende Kopfsteinpflaster in den Gässchen und Plätzen von Gent und Brügge zwingt zum Spazieren und Schauen: Bei jedem Schritt zwischen den alten Backsteinhäusern, bei jedem Blick auf spiegelnde Kanäle, mittelalterliche Giebel, ziselierte Turmspitzen oder neue Architektur muss man stehen bleiben und staunen. Und tritt in die Fußstapfen der Menschen, die schon vor vielen Jahrhunderten zwischen diesen Mauern lebten, liebten, webten, feilschten, sich hier ein Glas Wein oder dort frischen Fisch bestellten.
Die halbe Stunde Zugreise – Zugverbindungen sind in Belgien häufig und zuverlässig – von Brüssel nach Nordwesten führt zur Vereinigung der Flüsse Schelde und Leie, eben Gent – vom germanischen Ganda, Zusammenfluss oder Mündung. Ausgebaut von den Römern, verwüstet von den Wikingern, wurde schließlich eine Burg errichtet, die bis heute trotzigen Widerstand symbolisiert, die Grafenburg „Gravensteen“. Sie ist heute Museum, war dereinst Schauplatz wilder Ritterkämpfe und Hinrichtungen und wird vielleicht deshalb gern mit dem Gral­sucher Parzival in Verbindung gebracht.

(c) Michiel Devijver/visitflanders.com.

Stolze Stadt. Rundum bildeten sich Siedlungen, Flandern begann reich zu werden. Dank erfolgreicher Textilindustrie, Spitzenklöppeln und Tuchhandel und dank der berühmten und begehrten Wandteppiche, prachtvoller Gobelins, wahrer Stoffkunstwerke. Gent, verkehrsgünstig gelegen, wurde im 14. Jahrhundert zur zweitgrößten Stadt Europas, regiert von 40 Kaufmannsfamilien, nur von Paris an Pracht und Größe übertroffen. Man nannte sie die „Stolze Stadt“, weil sie sich immer wieder gegen Könige und Adelige wehrte, die ihnen möglichst viele Steuern aufbrummen wollten; sogar gegen Kaiser Karl V., der hier im Prinzenhof geboren worden war, in dessen Riesenreich „die Sonne nie unterging“. Er zwang die trotzigen Genter Ratsherren, die sich wieder einmal gegen Steuerwucher aufgelehnt hatten, im Büßerhemd mit einem Strick um den Hals vor ihm niederzuknien – was den Gentern den Beinamen „Stroppentragers“ (Strickträger) einbrachte, den sie bis heute stolz tragen. Denn unterkriegen ließen sie sich dadurch nicht. Übrigens auch die Frauen nicht: In den Beginenhöfen – heute gibt es in Flandern noch 26 zu besichtigen und zu bewohnen, allerdings nicht mehr von Nonnen, zwei davon in Gent, einer in Brügge  – waren Männer abends ausgesperrt, Beginenmeisterinnen waren höchst geachtete, keinen Einfluss duldende Herrscherinnen über ihre Frauengemeinde.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.