Morgenglosse

Ich fliege aus Portugal zurück und bin wütend

Daily Life In Edmonton Walking woman with face mask on her arm. On Thursday, 2 September 2021, in Edmonton, Alberta, Can
Daily Life In Edmonton Walking woman with face mask on her arm. On Thursday, 2 September 2021, in Edmonton, Alberta, Can(c) imago images/NurPhoto (Artur Widak via www.imago-images.de)
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In Portugal ist die Pandemie dank hoher Impfrate derzeit fast vorbei. Das könnten wir auch haben, wollen wir aber nicht.

Jedes Jahr fliege ich um diese Zeit von Portugal nach Österreich zurück. Das ist schwer in Ordnung so. Daheim ist es schön. Nur in diesem Jahr bin ich schon vier Tage vor dem Abflug einfach nur wütend.

Dabei geht es mir nicht um das Zurücklassen von Sonne und Meer, sondern um mein gesamtes Leben in Freiheit. Portugal hat eine Impfrate von rund 87 Prozent. Wie sich das anfühlt? Sorgenfrei. Stellen Sie sich vor, Sie gehen wieder in ein Restaurant, Lokal oder Cafè und niemand fragt mehr, ob sie geimpft oder genesen sind und es ist auch jedem egal, wie sie heißen. Die Maske fürs Hineingehen? Die tragen Sie noch als Alibiflügerl am Arm (die Gewohnheit!), brauchen sie aber nur mehr in Supermärkten oder in öffentlichen Verkehrsmitteln. Dafür ist alles frei zugänglich: normale Geschäfte, Fitnessstudios - ohne Maske, 3G und Personenlimits. Nur in den Clubs und bei großen Events muss man den Test oder Impfpass vorm Eingang herzeigen. Der wird dort auch mit einem QR-Leser gescannt - und nicht so wie in Österreich mit den Augen.

Ein Leben wie früher


Was das für den Alltag bedeutet? In Portugal ist die Pandemie derzeit schlicht und ergreifend gefühlt fast vorbei. Sie können wieder entspannt in eine Menschenmenge gehen, eng tanzen, die Freunde umarmen, in Cafés abhängen. Die Wahrscheinlichkeit sich anzustecken ist bei so einer hohen Impfrate und einer Sieben-Tages-Inzidenz von 53 natürlich vorhanden, aber verschwindend gering. Vor allem sind alle durch die Impfung besser geschützt. Ciao Covid.

Das könnten wir auch haben, wollen wir aber offenbar nicht. Das denke ich mir, während ich in ein Land zurückfliege, wo Restriktionen, Aufpassen und gefährlich volle Spitäler wieder zu meinem Alltag gehören werden. Denn anstatt das Leben zu genießen, hat das Heimatland beschlossen lieber in Angst und Pferdekurmitteln zu investieren als in die Impfung. Und damit ohne zu zögern die persönliche Freiheit aller aufgegeben. Hallo? Geht’s noch?

Verhält sich das Virus oder die Impfung in Portugal vielleicht anders als in Österreich? Wurde Österreich auf einen anderen Planeten gebeamed oder warum müssen wir hier Diskussionen führen, die es dort drüben in Europa in dem Ausmaß nicht gibt?

Nicht nur Ich-Ich-Ich

Etwa jene über die persönliche Freiheit. Auch die Unter-40-jährigen Portugiesen erzählen einem, dass sie sich impfen haben lassen, weil sie ihren Teil zur Gesellschaft beitragen wollen. Keine: Ich-Ich-Ich-Diskussionen (Ich brauche es nicht, Ich fürchte mich, Ich glaub nicht daran), sondern ein: Wenn ich es schon nicht für mich tue, dann für andere. Die Angst vor Impf-Nebenwirkungen, die nahmen die 87 Prozent in Kauf, weil sie unwahrscheinlicher sind und meist weniger schwerwiegend, als wenn einen Covid oder Long-Covid trifft. Ganz im Gegenteil: Dort erzählen sich die Geimpften, dass es sogar gut sei, wenn sie mit der Impfung Covid bekommen. Danach sei man noch besser geschützt. Gemeinsam gegen den Feind. Das Virus.

Der Preis für diese Einstellung: Ein normales Leben für alle. Wenn so viele geimpft sind, müssen nicht einmal die Impfgegner irgendwelche Nachweise erbringen.

In Österreich bevorzugen wir hausgemachte Probleme. Wir sind lieber ein Land, in dem man sich auch als Geimpfter Sorgen machen muss, weil eine Impfung halt nur wirklich gut greift, wenn sie in der großen Masse verabreicht wird. Die Portugiesen haben das begriffen. Wir nicht.

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