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"Red Notice": Ein Blockbuster ohne Block

Diese Männer haben große Eier: Dwayne Johnson und Ryan Reynolds in "Red Notice".
Diese Männer haben große Eier: Dwayne Johnson und Ryan Reynolds in "Red Notice".(c) Frank Masi / NETFLIX
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Dass „Red Notice“, ein Actionspektakel mit Dwayne Johnson, Ryan Reynolds und Gal Gadot, auch im Kino läuft, bekommt kaum jemand mit. Netflix dürfte das ziemlich egal sein.

Ein Star war Dwayne Johnson schon, als er sich noch als „The Rock“ durch Wrestling-Arenen prügelte. Seit er vom hierzulande eher obskuren Showsport ins Multiplexkino gewechselt ist, kann ihn erst recht niemand stoppen. Die Kamera liebt Johnson einfach: einen im Fitnessstudio wie eine antike Statue konturierten Berg von einem Mann, dabei stets mit einem breiten Lächeln im Gesicht.

So perfekt, so fugenlos wie Johnson verbindet kein zweiter Schauspieler im Kino der Gegenwart überlebensgroßen Hollywood-Glamour und bodenständiges, familienkompatibles Amerikanertum. Anders als die Actionstars der 1980er und 1990er hat er nichts Obsessives, Getriebenes. Johnson ist einer, der tagsüber die wildesten Schießereien und die rasantesten Verfolgungsjagden absolviert – und abends, beim Grillen mit den Kumpels, trotzdem problemlos abschalten kann.

Derzeit ist er, kurz gesagt, einer der größten Filmstars der Welt. Nur ist mittlerweile nicht mehr wirklich klar, was genau das eigentlich heißt. So dürfte zum Beispiel ein Großteil seiner Fans gar nicht mitbekommen haben, dass Johnsons neuer Film vergangene Woche in den Kinos angelaufen ist. Dabei ist „Red Notice“ perfekt auf den muskelbepackten Charmebolzen maßgeschneidert: ein 200 Millionen Dollar teures Actionspektakel, in dessen Verlauf der Star um den Globus jettet, aus einem Gefängnis ausbricht, im Kugelhagel durch ein Minensystem brettert, es mit finsteren Gesellen aller Art und sogar mit einem ausgewachsenen Stier aufnimmt – ohne dabei wirklich außer Atem zu geraten.

Zudem sind zwei weitere Hollywoodgrößen mit von der Partie: Ryan Reynolds, spätestens seit „Deadpool“ in Sachen Starruhm fast auf Augenhöhe mit Johnson. Und Gal Gadot, Wonder Woman höchstpersönlich. Sich ständig wechselseitig übers Ohr hauend, suchen sie nach, nun ja, „Cleopatras drittem Ei“ – einem millionenschweren Schmuckstück, das seit der Antike nicht mehr gesehen ward.

Filmstar: Ein Konzept mit Ablaufdatum

Sicher nicht der originellste Plot der Welt, doch den haben Filme dieser Art noch nie gebraucht. Dass „Red Notice“ fast schon unter Ausschluss der Öffentlichkeit in den Kinos deponiert wird, liegt jedenfalls nicht am wenig einfallsreichen Drehbuch, nicht am Dauerfeuer immer gleicher Reynolds-Witzeleien, auch nicht am weitgehend verschenkten Auftritt Gadots (die als einzige Frau des Trios beim Geplänkel rund um große Jungs und ihre Spielzeuge meist außen vor bleibt).

Vielmehr liegt es daran, dass der Produzent des Films Netflix heißt. Für die Streamingplattform ist ein Kinostart nach wie vor bestenfalls eine lästige Pflichtübung. So ist auch dieses (bis dato teuerste) „Netflix Original“ nach einer einzigen Pro-Forma-Kinowoche weltweit für Abonnenten per Mausklick verfügbar.

Im Fundus des Streamers ist „Red Notice“ allerdings nur ein Film unter vielen. Manchen wird der Algorithmus das Johnson-Brimborium eher, anderen kaum als Abendunterhaltung vorschlagen. Vom Pomp und Glitzer traditioneller Filmpremieren bleibt bei einem Netflix-Start ohnehin wenig übrig. Ob sich diese Form des Streaming-Bombastfilms auf Dauer rechnet, bleibt indes ebenso eine offene Frage wie die, ob in der Medienwelt der Zukunft überhaupt noch Platz sein wird für einen wie Johnson.

Denn das Konzept „Hollywoodstar“ ist längst in die Krise geraten. Wenn im heutigen Kino noch etwas zieht, sind das nicht Stars, sondern „IPs“ (Intellectual Properties), also „geistiges Eigentum“ wie „Star Wars“ oder das Marvel-Superhelden-Universum. Also Entertainment-Marken, für die selbst weltbekannte Schauspieler kaum mehr sind als austauschbare Schaufensterpuppen. In „Red Notice“ dürfen sich Johnson, Reynolds und Gadot hingegen zwei Stunden lang der Illusion hingeben, dass Hollywoodstars immer noch das sind, was sie einmal waren: das Zentrum der Welt.

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