Stanley ließ vor der Begegnung die US-Flagge hissen, um Livingstone würdevoll gegenüberzutreten.
Geschichte

"Doctor Livingstone, I presume": Zwei Gentlemen und der dunkle Kontinent

Zwei Jahre lang galt der britische Afrikaforscher David Livingstone als verschollen. Einer suchte ihn, Henry Morton Stanley. Ihre Begegnung ging mit dem Satz „Doctor Livingstone, I presume“ in die Geschichte legendärer Zitate ein. Doch was ist die Wahrheit?

Soweit er wusste, gab es im Umkreis von 1000 Kilometern keinen Weißen außer ihm. David Livingstone war, abgesehen von seinen gesundheitlichen Problemen, ganz zufrieden mit diesem Zustand, als er am 27. Mai 1871 auf dem Marktplatz von Nyangwe, einem Dorf am Ufer des Lualaba-Flusses, saß, am Westrand der heutigen Demokratischen Republik Kongo. Er war vertraut mit den lokalen Dialekten, ihm gefielen die Frauen hier, und er vertrug das Essen gut. So lesen wir in seinem Tagebuch, wo wir auch erfahren, dass ihn die Neigung der Dorfbewohner für den Kannibalismus nicht störte. Denn von allen guten Gaben, die der britische Gentleman sein Eigen nannte, war sein Einfühlungsvermögen in die Kultur Afrikas am bemerkenswertesten.

Livingstone war hier, um einen alten Menschheitstraum zu realisieren: die Quellen des Nils zu finden. Manchem fällt hier natürlich sofort der antike Historiker Herodot ein, der nicht nur der Vater der Geschichtsschreibung, sondern auch der Ahnherr des Bildungstourismus war. So kam er auch bis ins ägyptische Elephantine (beim heutigen Assuan), zum ersten Nilkatarakt. Doch die Quellen fand er nicht. Noch im 18. Jahrhundert schrieb der französische Gelehrte Montesquieu: „Es ist uns Sterblichen nicht gegeben, den Nil schwach und an seiner Quelle zu finden.“

Abenteuerlust. Herodot stand der fremden Kultur mit erfrischender Unbefangenheit und Weltoffenheit gegenüber: Das hatte er mit Livingstone gemeinsam, der im England des 19. Jahrhunderts so berühmt war, dass ihn die Menschen auf den Straßen erkannten. Es war die Zeit, in der das Innere Afrikas Schritt für Schritt von abenteuerlustigen Europäern kartografiert wurde. Viele von ihnen überlebten das nicht. Und mit jedem gescheiterten Versuch schien sich Montesquieus Satz, der Ursprung des Nils sei unentdeckbar, zu bewahrheiten. Er musste irgendwo in den Bergen von Burundi zwischen dem Tanganjika- und dem Victoriasee sein.

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