Morgenglosse

Ist das Ihr Ernst, Mister President?

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Joe Biden überlegt, bei der Präsidentschaftswahl in drei Jahren noch einmal anzutreten – womöglich in einer Neuauflage des Matchs gegen Donald Trump. Die Amerikaner haben Besseres verdient.

Die Debatte über eine zweite Amtszeit Joe Bidens als Auswuchs einer Medienhysterie kommt zur Unzeit. Zu Thanksgiving am Donnerstag haben die Amerikaner viel Zeit totzuschlagen – mit Shopping, TV-Football und Politik. Eine Zwischenbilanz über die ersten zehn Monate der Präsidentschaft Bidens fällt ernüchternd aus: Die Polarisierung ist gegenüber der Wahl vor einem Jahr nicht wesentlich geschwunden, die Nation weiter verunsichert und der Präsident hat seine Landsleute bisher eher enttäuscht. Die Inflation hat den Frust über den Zustand des Landes jetzt sogar noch einmal so befeuert, dass Biden nun die Ölreserven anzapfte, um den Benzinpreis zu drosseln.

Kaum verwunderlich, dass die Familien beim üppigen Truthahn-Festmahl über die politische Zukunft des 79-jährigen Präsidenten spekulieren. Wäre er ehrlich, müsste er sich eingestehen, dass er 2024 kaum noch einmal antreten wird, wie er selbst und die Demokraten jetzt beteuern – und auch nicht antreten sollte. Nur offen kann er das nicht zugeben, sonst ist er zum Dasein als „Lame duck“ verurteilt – als ein Präsident mit Ablaufdatum, dem Hohn preisgegeben.

Bei der Wahl 2020 sah sich Biden als Nothelfer, um die Nation von der irrlichternden Präsidentschaft des Populisten Donald Trump zu befreien und die USA auf einen Kurs der Mitte und Vernunft zurückzuführen. Darin besteht die Aufgabe des Übergangspräsidenten Biden, und dieser Job ist bei Weitem nicht erledigt. Für 2024 bedarf es einer neuen Dynamik und einer Vision, die ein frischerer Kandidat oder eine unverbrauchtere Kandidatin personifizieren.

Bei den Demokraten wäre eigentlich Vizepräsidentin Kamala Harris für diese Rolle ausersehen gewesen. Bei den Republikanern dominiert Trump weiterhin die Agenda. Er sinnt auf Revanche, und so wie es momentan den Anschein hat, dürfte ihm die Nominierung auf republikanischer Seite wohl kaum zu nehmen sein. Eine Neuauflage des Matchs Biden versus Trump ist den Amerikanern wirklich nicht zu wünschen. Zumindest der Veteran Biden sollte erfahren und klug genug sein, wenigstens insgeheim die Zeichen der Zeit zu deuten.

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