Der viel geschmähte Troubadour als Meisterwerk

(c) Stadttheater Klagenfurt
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Das Stadttheater Klagenfurt zeigt eine fulminante Neuproduktion von Giuseppe Verdis "Il trovatore". Dem baltischen Regisseur Žagars gelang eine zeitgemäße Deutung der Parabel von Leidenschaft, Eifersucht und Tod.

Man nehme: vier exzellente Sängerpersönlichkeiten und ein stilistisch kompetentes Produktionsteam – und schon erscheint Verdis viel geschmähter „Troubadour“ als grandioses Meisterwerk. So geschehen in Klagenfurt, wo dem baltischen Regisseur Andrejs Žagars eine zeitgemäße Deutung dieser Parabel von Leidenschaft, Eifersucht und Tod gelang. In den Innenraum einer spätgotischen Kathedrale projiziert er beklemmende Bilder eines aktuellen Bürgerkrieges und erzielt in den „Zigeuner“-Szenen die faszinierende Wirkung von Nemanja (bekannt als Emir) Kusturicas Kultfilm „Time of the Gypsies“. Wie in einem Reagenzglas erscheinen die verhängnisvollen Emotionen in fokussierter Intensität.

Žagar unterschlägt nirgends das atemlose Tempo des schicksalhaft stets das Absurde streifenden Handlungsgeschehens und schafft Momente packender Aktualität.

Bernadett Wiedemann (Azucena) brilliert

Am Pult des gelöst aufspielenden Kärntner Sinfonieorchesters gelingt dem Hausherrn Peter Marschik die überzeugendste Leistung seit seinem Amtsantritt vor drei Jahren: Akribisch gestaltet er die Charaktere jeder auch nur kleinsten Orchesterbegleitfigur, lässt die Holzbläser zu lyrischen Kantilenen erblühen und verleugnet auch nicht das lodernde Brio dieser Feueroper.

Als Leonora überzeugt die darstellerisch grandiose Dinara Alieva mit einem dunkel timbrierten, ausdrucksstarken, von einem Mezzo herkommenden Sopran, ihr gelingen dramatische Attacken und lyrische Bögen vorbildlich, die Koloraturen werden an Sicherheit noch gewinnen. Gaston Rivero gestaltet den Manrico mittels seines höhensicheren, schlanken und doch virilen Tenors. Sein Bruder-Rivale Graf Luna erfährt vom süditalienischen Bariton Francesco Landolfi eine facettenreiche, idiomatisch naturgemäß stilsichere und an den betreffenden Stellen einnehmend noble Deutung. Die schauspielerisch-vokale Meisterleistung des Abends gelingt freilich Bernadett Wiedemann als hochexpressiv-dämonischer Azucena von Weltklasseformat. Tout court, eine so unprätentiöse wie eben deshalb wohl vorbildliche Darstellung einer Verdi-Oper, Chapeau!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.11.2010)

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