SpaceX

Papua-Ureinwohner durch Musks Raum-Flughafen bedroht

Die indigenen Stämme von Westguinea unterstehen seit dem Zweiten Weltkrieg der indonesischen Regierung.
Die indigenen Stämme von Westguinea unterstehen seit dem Zweiten Weltkrieg der indonesischen Regierung.EPA
  • Drucken

Seit 1961 kämpfen die Bewohner Westneuguineas für ihre Unabhängigkeit. Zusätzlich zur ständigen Bedrohung durch den Kolonialisierer Indonesien, müssen die Papua-Ureinwohner nun um ihren Lebensraum fürchten, denn dort könnten bald „SpaceX-Raketen“ starten.

Biak ist eine tropische Insel mit malerischen Sandstränden und üppiger Flora, wie sie im Buche steht. Die idyllische Kulisse könnte aber schon bald Geschichte sein, denn die Pazifik-Insel in Westguinea steht gerade hoch im Kurs bei der Raumfahrtindustrie. „SpaceX"-Gründer Elon Musk sieht in dem indonesischen Gebiet nördlich von Australien einen idealen Ausgangspunkt für Ausflüge ins All. Biak ist nämlich nicht nur reich an Nickel und Kupfer, das für den Raketenbau verwendet wird; die Nähe zum Äquator bedeutet außerdem, dass bei einem Raketenstart weniger Treibstoff benötigt wird. Die indonesische Regierung begrüßt Musks Interesse an der Insel – ganz im Gegensatz zu den Papua-Ureinwohnern.

Für den Abrauw-Klan, der seit 15 Generationen auf Biak heimisch ist, hätte es massive Einschnitte zufolge, sollte die Insel für die Raumfahrt genutzt werden. Mit 1746 Quadratkilometern Fläche ist Biak nicht viel größer als so manche europäische Großstadt. Gerade einmal 100.000 Einwohner zählt sie – die meisten von ihnen leben in ruralen Areal und dörflichen Gemeinschaften. Manche Siedlungen fallen entweder direkt in das Gebiet des geplanten Flughafens, oder liegen wie die Ortschaft Saukobye im unmittelbaren Einzugsgebiet der Raketen. Aber nicht nur Wohngebiete, sondern auch die Lebensgrundlage der Ureinwohner würde dem „SpaceX"-Projekt zum Opfer fallen.

Die Haupteinnahmequellen der Abrauw sind Wald-, Jagd- und Fischereigebiete, die sich auf dem Gebiet des geplanten Flughafens befinden. Auch die heliotropen Bäume, die den Ureinwohnern heilig sind, wachsen in diesem Areal.

Elon Musk im Juli bei einem Raketenstart seines Unternehmens "SpaceX".
Elon Musk im Juli bei einem Raketenstart seines Unternehmens "SpaceX".imago images/ZUMA Wire

Kolonisation unter dem Deckmantel des freien Willens

Nach eigenen Angaben hat die indonesische Raum- und Luftfahrtbehörde „Lapan“ das betreffende Areal bereits 1980 von den Papua-Ureinwohnern erworben. Die sehen das aber anders und wehren sich nun gegen die geplanten Eingriffe in ihren Lebensraum. Wie in einer Reportage der „New York Times“ zu lesen ist, sind die Häuptlinge des in Biak ansässigen Abrauw-Klans der Meinung, dass sie niemals Land an Indonesien verkauft hätten. Jene vier Männer, die das Dokument unterschrieben haben, seien nicht einmal Mitglieder des Klans gewesen und hätten somit nicht das Recht gehabt, Ländereien der Ureinwohner zu veräußern. Der Vertrag wäre somit ungültig – ein Detail, das „Lapan“ aber gekonnt ignoriert.

Ähnlich problematisch verhält es sich generell mit den Beziehungen zwischen Biak und Indonesien. Bei Westneuguinea handelt es sich seit Jahrzehnten um eine Kolonie, die bis zum Zweiten Weltkrieg in niederländischen Händen war. Während die Osthälfte der Insel als Papua-Neuguinea einen eigenen Staat bildet, fiel Westneuguinea in den 1960er Jahren in indonesische Hände. Grundlage für die Übergabe des Territoriums ist ein Vertrag, der als „The Act of Free Choice“ bekannt wurde. Der Name ist paradox, denn von freiem Willen kann bei Annexion keine Rede sein.

Für die „Abstimmung" über die Zugehörigkeit Westneuguineas wurden Tausende Häuptlinge der Papua-Ureinwohner zusammengetrieben und so lange festgehalten, bis sie für die Vereinigung mit Indonesien gestimmt hatten. Bis heute kämpfen die Einwohner Westneuguineas für dessen Unabhängigkeit. Seit Beginn der Auseinandersetzungen mit dem indonesischen Militär haben Schätzungen zufolge 100.000 von einst 700.000 Papua-Ureinwohnern ihr Leben in kriegerischen Auseinandersetzungen verloren. Jedes Jahr am 1. Dezember hissen Separatisten die Morgensternflagge, die an diesem Tag 1961 zum ersten Mal zum Symbol für ein freies Westneuguinea geworden war.

Eine Studentin bei einer illegalen Demonstration für die Unabhängigkeit Westneuguineas am 01. Dezember 2021.
Eine Studentin bei einer illegalen Demonstration für die Unabhängigkeit Westneuguineas am 01. Dezember 2021.APA/AFP/JUNI KRISWANTO

Der schmale Grat zwischen Modernisierung und Untergang

Die Abrauw würden durch den Bau eines Raumfahrt-Flughafens auf Biak aber nicht nur ihren angestammten Lebensraum verlieren, sondern ferner auch langfristig heimatlos bleiben. Für Papua-Ureinwohner ist Land nämlich gleichgesetzt mit Identität. Wie der Häuptling des Klans, Marthen Abrauw, der „New York Times“ gegenüber berichtete, würden die Abrauw durch Musks Pläne zu Vertriebenen werden, die von keinen anderen Papua-Ureinwohnern, auf deren Land akzeptiert werden würden. Eine solche Umverteilung könnte Blutfehden hervorrufen, die sich über Generationen ziehen. Auch Klan-Mitglied Markus Abrauw fürchtet um die Zukunft seiner Kinder und Kindeskinder. „Wir Papua-Ureinwohner müssen das Land bewohnen, das wir geerbt haben. Wenn wir das nicht tun, wird es Krieg geben", klagt er der indonesischen Ausgabe der „BBC“.

Ein indonesischer Soldat verabschiedet sich vor einem Einsatz an der westneuguineischen Grenze von seiner Familie.
Ein indonesischer Soldat verabschiedet sich vor einem Einsatz an der westneuguineischen Grenze von seiner Familie.APA/AFP/MUHAMMAD RIFKI

Befürworter des Projekts lassen hingegen verlautbaren, dass ein Raumfahrt-Flughafen für die indonesische Insel vor allem eins bedeuten würde – Modernisierung, die lange überfällig ist. „Lapan"-Vorstand Thomas Djamaluddin meint gegenüber der „BBC“, das Musk-Projekt würde Biaks Tourismus und Wirtschaft ankurbeln und die Bevölkerung innerhalb der nächsten Dekade in eine „moderne Gesellschaft“ verwandeln. Was eine solche „Modernisierung“ für eine Gesellschaft wie die Abrauw langfristig bedeuten würde, wird allerdings nicht erwähnt. Djamaluddin bezieht sich außerdem auf Briefe von 60 Häuptlingen, die ihm seine Unterstützung ausgesprochen hätten. Die Abrauw dementieren, eine solche Erklärung abgegeben zu haben.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.