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In Margot Honeckers Büro

Angela Merkels Abschiedstournee zwischen Washington, Paris und Rom währte eine gefühlte Ewigkeit. Und es wäre nicht Deutschland, wäre der Zäsur des Machtwechsels in Berlin nicht ein langwieriges Hin und Her beim Hochamt der Demokratie vorausgegangen, ehe die Stunde null der Post-Merkel-Ära begann.

Dabei gibt es viel Kontinuität zur Prä-Merkel-Ära. Olaf Scholz, als „Scholzomat“ ein Ex-Adlatus, schlüpft in die Rolle des „Basta“- und Brioni-Kanzlers Gerhard Schröder. Als Außenministerin tritt Annalena Baerbock Joschka Fischers Erbe an, laut Selbstverständnis „einem der letzten Rock'n Roller der deutschen Politik“: Lady Gaga in den Schuhen Mick Jaggers. Und Merkel-Rivale Friedrich Merz schickt sich an, im dritten Anlauf CDU–Chef zu werden.

Als Pointe der Geschichte zieht Merkel in der Polit-Pension ins Ex-Büro Margot Honeckers. Das von kommunistischer Patina durchzogene Arbeitszimmer der First Lady der DDR, als Volksbildungsministerin verhasst und wegen ihrer Haarfarbe als „Blaue Eminenz“ verhöhnt, wurde durchlüftet, desinfiziert und neu eingerichtet, wie das Inserat „Endlich zu Hause“ eines schwedischen Möbelhauses insinuiert. Im „Ostalgie“-Museum wurden indes das Porträt Erich „Honey“ Honeckers, die Ahnengalerie der Sowjet-Führer und die Karl-Marx-Gesamtausgabe entsorgt.

Reaktionen an: thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.12.2021)

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