Quergeschrieben

Reden ist Silber, Schweigen ist Geld

Über das eigene Einkommen zu reden, ist ein Tabu. Es gibt gute Gründe, warum sich das endlich ändern muss.

Vergangene Woche strahlte ORF1 eine Doku über Armut in Österreich aus. Eine Alleinerzieherin, eine Mindestpensionistin, ein ehemaliger Obdachloser waren unter den Protagonistinnen und Protagonisten, die offen erzählten, mit wie wenig Geld sie ihren Alltag bestritten. Die Berichterstattung wurde etwa von Barbara Blaha, Chefin des Thinktanks Momentum, für ihre fehlende Sensibilität kritisiert. Als die Reporterin den Sohn der Alleinerziehenden fragt, was er sich zu Weihnachten wünscht und auf die Antwort „nichts“ meint, der Bub sei aber bescheiden. „Wer seinem eigenen Kind nichts schenken kann, der leidet – das spürt das Kind und verhält sich loyal zu den Eltern, die es liebt“, schreibt Blaha.Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

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Was die Doku aber dennoch beachtenswert macht, ist etwas anderes: Sie zeigt Menschen, die etwas thematisieren, was für alle anderen ein Tabu ist: Sie reden übers Geld. Warum wir darüber lieber schweigen, hat widersprüchliche Gründe. Auf der einen Seite sehen wir – oftmals unbewusst – Geld als eine Bewertung unserer Fähigkeiten, ja unserer Person. Das macht es intim, denn das eigene Einkommen preiszugeben, heißt so viel, wie den eigenen Wert zu nennen. Deshalb ist Armut schambehaftet, deshalb zeigen Menschen gern teure Statussymbole.

Auf der anderen Seite sind wir jedoch eine Gesellschaft, die Auf- und Abstiege skeptisch betrachtet. Während der „American Dream“ besagt, dass es jeder vom Tellerwäscher zum Millionär – und retour – schaffen kann, bleibt der österreichische Traum die Verbeamtung. Gemütlich und abgesichert durchs Leben gehen, was will man mehr? Schlecht ist das nicht zwangsweise, ist doch die Annahme, dass es jede und jeder schaffen kann, auch ein Mythos, der Eigenverantwortung einfordert, wo es sie nicht geben kann – aber es führt eben auch dazu, dass wir anderen ihre Erfolge nicht gönnen. Und um Neid – oder Scham – zu vermeiden, schweigt man lieber.

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