Die 2010er-Jahren erscheinen mit Abstand und Krise als goldenes Jahrzehnt. Das steigert mancherorts die Großkoalitionsnostalgie.
Im Rückspiegel wird vieles verklärt. Manches wird in der historischen Einordnung vergleichsweise besser: Waren die Zehnerjahre des Jahrtausends, die Dekade zwischen Finanzkrise und Pandemie, das goldene Jahrzehnt? Angela Merkels Periode als „Roaring Tens“. Dafür war es (populär-)kulturell eine merkwürdig langweilige Zeit. Vermutlich fällt der Befund vor allem wegen der Gesundheitskrise so positiv aus. Wir wussten nicht, wie gut es uns ging.
Der Satz „Wir werden mit dem Virus leben müssen“ klang im ersten Halbjahr 2020 wahlweise nach Binsenweisheit oder Kassandraruf, heute wissen wir, dass er stimmt. Omikron wird vielleicht nicht gefährlicher als Delta, sich aber noch schneller verbreiten. Die Impfung wirkt, aber nicht vollständig. Medikamente und Spitalsbehandlung retten Leben, aber nicht alle. Die angedachte Impfpflicht könnte in Österreich übrigens einen typischen Effekt haben: Im Vertrauen, dass diese Umsetzung als Ultima Ratio das gesamte Problem lösen wird, lehnen sich wieder alle zurück und lassen sämtliche Vorsichtsmaßnahmen sein.