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Covid ist nix gegen diese Zombies

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Die Aggressionen dieser Wutbürger sind ansteckend: Die Gewaltorgie „The Sadness“ wurde zum Pandemiebeginn in Taipeh gefilmt. Ein Angriff auf Sitten und Nerven. Im Kino.

Film der Stunde ist ein passender Ausdruck für Werke, die ein angemessenes Stimmungsbild ihres Entstehungszeitraums vermitteln. Trotz ihrer endzeitlichen Fantastik gehörten Zombiefilme stets dazu. George A. Romeros „Nacht der lebenden Toten“ spiegelte allegorisch die bürgerkriegsähnlichen Unruhen in seinem Erscheinungsjahr 1968 wider, Danny Boyles kurz nach 9/11 entstandener „28 Days Later“ das damalige Klima aus Terrorangst und Militarismus, und in der „Walking Dead“-Serie aus den 2010ern erinnerten manche Massaker barbarischer Hinterwäldler an die Mordmethoden des IS. Seine Zombie-Gewaltorgie „The Sadness“ hat der Kanadier Rob Jabbaz während des Ausbruchs von Covid in Taiwan gedreht. Zu diesem Zeitpunkt sei die Ausbreitung der Pandemie aber noch kein großes Thema in seiner Wahlheimat gewesen, meinte der Regisseur unlängst.

Dennoch tragen die Figuren vereinzelt MNS-Masken. Ein Virologe, der vorher alle gewarnt hat, aber dessen Appelle in den Boulevardmedien verhallen, ist ausschließlich im Ganzkörper-Schutzanzug zu sehen, wie ihn heutzutage das Personal vor Teststationen trägt. Trotz surrealer Parallelen zur Wirklichkeit gibt es dennoch Unterschiede. Obwohl das Virus in dem Schocker Schlimmeres als eine Atemwegserkrankung bewirkt, verhängt die Regierung keinen Lockdown. Ob sich die Seuche in der Luft überträgt, bleibt ungewiss. Ähnlich wie in „28 Days Later“ wird angedeutet, dass sie weniger der Biologie als dem Grant der Menschen entsprungen ist.

Verdrängung und Leichtsinn

Die von Verdrängung und Leichtsinn geprägten Reaktionen auf die Gefahr erinnern indes an ähnlich ignorante Haltungen im heutigen Coronadiskurs. Der einfältige Nachbar des Helden tut die nachweisbare Bedrohung als Schwindel ab. Moderatoren und Militärs beschwichtigen die Massen. Der junge Jim schwingt sich mitten in der Apokalypse auf das Moped, um seine Freundin Kat zu suchen, die am anderen Ende von Taipeh in einer voll besetzten U-Bahn hockt. In einem belebten Burger-Restaurant werden noch seelenruhig Bestellungen angenommen. Ein Infizierter, dessen Miene zur manisch-frohsinnigen Fratze erstarrt ist, gießt einem Besucher plötzlich brühendes Fett über und pult ihm die Gesichtshaut ab.

Gewalteruptionen dieser Art sind in dem schaurigen Reißer ultra-brutal inszeniert. Jabbaz scheut keinen Tabubruch. Unverfroren zeigt er, wie ein infiziertes Baby im Labormüll erwürgt und einem Mann in einer Livesendung mit einer Granate im Mund der Kopf gesprengt wird. Ein gebeugter Passagier aus der U-Bahn mutiert nach romantischer Zurückweisung zum Axt schwingenden Triebmörder. Seine belästigte Sitznachbarin zerschlägt seinen Schädel später mit einem Feuerlöscher zu Brei. So grotesk schon diese Beispiele anmuten, sie gesellen sich zu verstörenden Bildern von Messerattacken, Verstümmelungen und Vergewaltigungen. Interessanterweise brechen die Eskalationen dabei bevorzugt aus der angespannten Atmosphäre in öffentlichen Räumen hervor. Die schwelenden Aggressionen wehleidiger Wutbürger steigert dieses Virus nicht bloß zu zornigem Gemecker während lästiger 2-G-Kontrollen, sondern zu sadistischer Mordlust.

Der abstoßendste Film der Stunde

Obwohl man Jabbaz' Mut zum Expliziten respektiert, ist man von der unverhohlenen Gewalt in seinem bescheiden budgetierten, aber effizient gestalteten Gore-Spektakel zutiefst erschüttert. Sitten und Nerven werden durch die Terrorästhetik radikal angegriffen. Ob man den abstoßendsten Film der Stunde, den es je gegeben hat, für brillante Satire oder verwerflichen Schund halten will, muss jeder selbst entscheiden. Fest steht, dass selbst rüdeste Coronaleugner gegen diese Zombies wie Engel wirken, und die wirkliche Pandemie im Vergleich zur fiktiven wie ein Kindergeburtstag. Es hätte deutlich schlimmer kommen können, lässt sich dem Reißer als Trost entnehmen.

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