Winterspiele 2022 in Peking

Der Flug der Eva Pinkelnig

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SKI-JUMPING-OLY-2022-BEIJING-WOMEN-TRAININGAPA/AFP/CHRISTOF STACHE
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Ob Notoperation nach Milzriss oder Schädel-Hirn-Trauma, die Vorarlbergerin Eva Pinkelnig wollte der Schanze trotzdem nicht den Rücken kehren. Auch bei Olympia in China hebt sie ab: „Ich schaue, dass ich weit fliege.“

Zhangjiakou. So richtige Freude will beim Auftakt des Frauen-Skisprigens bei den Winterspielen im Lager der Österreicherinnen nicht aufkommen. Sara Marita Kramer und Jacqueline Seifriedsberger fehlen Corona-bedingt, damit ist die Equipe auch um ihre realistischer Gold-Chance im Normalschanzen-Bewerb (11.45 Uhr, live ORF1) von Zhangjiakou ärmer.

Das rot-weiß-rote Aufgebot wird von der motivierten Eva Pinkelnig, der ganz und gar nicht fitten Daniela Iraschko-Stolz, der für Kramer nachnominierten Lisa Eder sowie von Sophie Sorschag gebildet. Die Kärntnerin kam für Seifriedsberger zum Zug und landete erst am Freitag in China. Ihr blieb somit nur der Probesprung eine Stunde vor der Konkurrenz, um sich auf diese einzustimmen.

OLYMPICS - OEOC, equipping Beijing 2022
OLYMPICS - OEOC, equipping Beijing 2022GEPA pictures

Zum Favoritenkreis zählte das im Abschlusstraining um Rang zehn platzierte ÖOC-Aufgebot also nicht. Um Gold werden voraussichtlich alle Sloweninnen, die Japanerinnen Sara Takanashi und Yuki Ito sowie die Deutsche Katharina Althaus abspringen.

Nimmermüde Pädagogin

„Ich hoffe, wir werden doch ein Wörtchen mitreden“, meinte Pinkelnig fast trotzig zur bitteren Ausgangsposition. Es wird eine neue Olympiasiegerin geben, denn die beiden bisherigen im Frauen-Skispringen sind nicht am Start. 2014-Triumphatorin Carina Vogt wurde nicht ins deutsche Team nominiert. Die 2018 erfolgreiche Norwegerin Maren Lundby macht eine Wettkampfpause, nachdem sie sich auf das „Dancing Stars“-Parkett gewagt hatte und ferner „keine Opfer“ in Sachen Gewicht mehr bringen wollte.

Pinkelnig ist die einzige aus dem österreichischen Quartett mit geplanter Olympia-Vorbereitung, auch wenn sie wegen Kontakts zu Kramer ein wenig abgeschottet wurde. Ihr letzter Trainingssprung auf 96 Meter gab ihr für den Wettkampftag Motivation. „Mein Ziel sind drei lässige Sprünge und einen Telemark setzen – weil auf der Kleinschanze gibt das viele Punkte – und am besten Jubeln im Auslauf. Eine Chance ist immer da. Ich schaue, dass ich fliege.“

Wäre die Vorarlbergerin schon früher nur den einfachen gegangen, wäre sich womöglich nie beim Springen gelandet. Oder gar bei Olympia, denn sie springt erst seit ihrem 24. Lebensjahr und damit seit neun Jahren. Sie war einst Freizeitpädagogin, traf Entscheidungen nach Herz und hat bereits mehr äußerst schmerzhafte Hürden genommen als alle ihrer Kolleginnen. Die Springerin aus Hard galt einst als „Sturzpilotin“. 2016 war sie zwei Mal so heftig auf den Kopf gestürzt, dass bei ihr massive neurologische Probleme auftraten. Das Schädel-Hirn-Trauma quäkte, Erinnerungslücken machten sich bemerkbar, von Konzentrations- und Sehschwächen ganz zu schweigen. Die Diagnose der Ärzte („Sie haben mir gesagt, dass Anzeichen von Alzheimer da waren. Mein Hirn hat Strukturen aufgewiesen, die jemand in meinem Alter nicht“) hätte fast jeden zur Abkehr vom Skispringen gejagt, Pinkelnig aber machte weiter.

Selbst eine „kapitale Brezn“ im Dezember 2020 warf sie nicht aus der Bahn, obwohl sich Pinkelnig in Seefeld einen lebensbedrohlichen Milzriss zugezogen hatte und notoperiert werden musste. „Die Milz war eigentlich ausgeblutet. Ich habe mehr als einen Liter Blut verloren“, erzählt sie unbekümmert.

Was bei der WM 2021 in Oberstdorf noch nicht klappte, oll jetzt in China gelingen – der Sprung auf das Podest. Damals reiset sie kurzerhand ab nach Debatten, diese Option stellt sich diesmal nicht. Also springt sie. Mit Freude, so weit wie möglich. (fin)

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