Essen

Die Regionalität als großes Täuschungsmanöver

Essen ist zunehmend moralisch aufgeladen. Hoch im Kurs: das diffuse Versprechen Regionalität.
Essen ist zunehmend moralisch aufgeladen. Hoch im Kurs: das diffuse Versprechen Regionalität. van Tonder, Hein/picturedesk.com
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An der Universität Graz erforschen Humangeografen, wie wir durch unser Essen in Verbindung mit den verschiedenen Produktionsorten von Lebensmitteln treten – und welche Konsequenzen das mit sich bringt.

Eine weiß-grüne Banderole bürgt für die Herkunft. In jenen Flaschen, deren Verschluss sie ziert, ist garantiert „Steirisches Kürbiskernöl“ drinnen. Es handelt sich um ein von der EU geschütztes Markenprodukt für Nahrungsmittel einer genau festgelegten Region. Andere Beispiele sind Nürnberger Lebkuchen, Prosciutto di Parma oder Marchfeldspargel. Seit über zwei Jahrzehnten beschäftigt sich der Humangeograf Ulrich Ermann von der Universität Graz mit der Regionalisierung von Lebensmitteln. „Derzeit ist dieser Trend extrem stark“, stellt er fest. „Früher war Regionalität eine kleine Marktnische, aber heute gibt es im deutschsprachigen Raum kaum einen Supermarkt ohne Regionalitätsschiene.“

Mit der Welt in Verbindung

Diesen Boom erklärt der Forscher mit dem Wunsch nach Bodenständigkeit und Ortsverbundenheit und einer Angst vor den industriellen, anonymisierten Strukturen einer globalisierten, hochtechnologisierten Wirtschaft. „Auf dem Ernährungssektor schlagen sich diese Gefühle besonders nieder, weil das Essen eine sehr persönliche Angelegenheit ist“, so Ermann. Denn Ernährung ist ebenso alltäglich und notwendig wie identitätsstiftend und ideologisch aufgeladen. Der gern zitierte Brecht'sche Ausspruch von der Moral, die erst nach dem Fressen käme, hat sich damit – vermeintlich – überholt: Längst ist das Essen selbst zur höchst moralischen Angelegenheit erklärt worden.

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