Entgiftet Eure Hirne, nicht Eure Leiber!

Eine Gegendemonstrantin mit Schild Es begann als Virus und mutierte zu einem IQ-Test waehrend einer Demonstration gegen I
Eine Gegendemonstrantin mit Schild Es begann als Virus und mutierte zu einem IQ-Test waehrend einer Demonstration gegen Iimago images/Martin Müller
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Der esoterische Kokolores, man könne seinen Körper durch gesunde Ernährung oder diverse Wundermittelchen „entschlacken“, führt wohl viele schnurstracks in die Impfverweigerung.

Ich wollte an dieser Stelle eigentlich dazu aufrufen, baldigst ins nächstbeste Lichtspieltheater zu stürmen, um den hervorragenden neuen Film „Les Promesses“ mit Isabelle Huppert in der Hauptrolle anzuschauen (ja, ich weiß, dass er erst irgendwann in Österreich und dort auch nur in ausgewählte Kinos kommen wird, aber ich möchte das Erwartungsmanagement bis an den Rand der unerträglichen Spannung ausreizen). Die Huppert spielt darin eine Bürgermeisterin in einem Pariser Vorort, die versucht, den Teilhabern einer Wohnungsgenossenschaft im Kampf gegen Miethaie zu helfen – doch durch das Angebot, Ministerin zu werden, ihre Loyalität auf die Probe gestellt sieht. Besonders möchte ich Reda Kateb loben, der ihren Kabinettschef mimt, einer der besten Schauspieler unserer Zeit, den sie vielleicht in seiner Verkörperung von Django Reinhardt kennen oder aus der Arte-Serie „In Therapie“.

Wie dem auch sei, für diese Lobeshymne ist heute keine Zeit, denn bei der Handhabung des Entsafters, der seit einigen Monaten unsere Küche ziert, bin ich der Antwort auf die Frage näher gekommen, wieso so viele Menschen immer noch dem Irrglauben anhängen, die Impfung gegen die Krankheit Covid sei gefährlicher als die Krankheit selbst. „Wenn die Ernährung falsch ist, nützt keine Medizin. Wenn Ernährung gut ist, wird keine Medizin gebraucht“, steht mit dem Zusatz „Alte Ayurvedische Weisheit“ auf der Rückseite der Broschüre des Herstellers, in der sich Rezepte für Fruchtsäfte finden. Das ist potenziell lebensgefährlicher Kokolores. Aber viele, viele Menschen glauben das. „Reinigen Sie Ihren Körper mit diesem Angebot an gesunden Säften!“, wird mir im Blattinneren unter dem Titel „Detox-Säfte“ verheißen. Was soll man da sagen, außer: Freunde, Ihr könnt Eure Körper weder „entgiften“ noch „entschlacken“. Das ist Hokuspokus einer unseriösen Lifestyle-Branche. Sehr wohl jedoch können wir unser Denken entgiften: durch Nüchternheit und Skepsis gegenüber allem, das uns Wunderdinge verspricht.

E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

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