Pizzicato

Die Wintersport-Großmacht

Die Olympioniken waren in Reih und Glied aufmarschiert, und um den Hals baumelten ihre Medaillen. Im Präsidentenpalast glänzte es in Gold, Silber und Bronze.

Die einstige Großmacht im Herzen Europas hatte bei den Corona-Spielen im fernen Reich der Mitte ihren Ruf als Wintersport-Großmacht aufpoliert. Sie hatte die Nachbarn aus der Schweiz und Italien in der Medaillenwertung hinter sich gelassen – von Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Slowenien ganz zu schweigen. Aber die gehörten anno dazumal ja auch zum Imperium. Nur die Freunde im Nordwesten standen besser da – und das auch nur, weil die Deutschen den Eiskanal mit ihren Bobs, Rodeln und Skeletons okkupiert hatten.

In der Hofburg war der Präsident mit den estnisch-russisch-niederländischen Wurzeln enthusiasmiert von der rot-weiß-roten Erfolgsbilanz: „So sind wir – und nicht anders.“ Als die Hymne ertönte, waren alle von Stolz erfüllt, und die Augen glitzerten.

Danach schwadronierte der Staatschef aus dem Kaunertal aber nicht in einer Rede im Phantomschmerz über das verlorene Reich. Er setzte sich nicht hin, signierte kein Dekret über die Eingliederung Südtirols in das ehemalige Vaterland und schickte nicht die Tiroler Schützen als Friedenstruppe über den Brenner, um bei Olympia 2026 in Mailand/Cortina mit noch breiterer Brust aufzutreten. (vier)

Reaktionen an: thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2022)

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