SPD: Parteiausschluss Sarrazins fix

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Buchautor Thilo Sarrazin mildert ein paar Aussagen in der Neuauflage seines Bestsellers "Deutschland schafft sich ab" ab. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sieht darin kein Abrücken von den Thesen.

Berlin/AG/som. Gemeinsam mit der übrigen Post landete der Ausschlussantrag vergangene Woche in Thilo Sarrazins Briefkasten. Offenbar machen die deutschen Sozialdemokraten ernst mit dem angekündigten Parteiausschluss für Ex-Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin wegen seiner umstrittenen Integrationsthesen im Buch „Deutschland schafft sich ab“.

Die Schiedskommission der Partei, die mit der Prüfung des Falles beauftragt war, hat das Schreiben verschickt. Damit beantragen Bundes- und Landespartei die „Durchführung eines Parteiordnungsverfahrens mit dem Ziel des Ausschlusses“. Verfahrensbevollmächtigte ist die Generalsekretärin der Bundes-SPD, Andrea Nahles. Noch-SPD-Mitglied Thilo Sarrazin selbst bestätigte den Erhalt des Briefes. Ihm bleiben nun sechs Wochen Zeit für seine Stellungnahme.

Bedrohung „auf lange Sicht“

Sarrazin war wegen seiner Aussagen über Zuwanderer, insbesondere über deren Fähigkeiten und Chancen in der Gesellschaft, in parteiinterne Kritik geraten. Unterdessen hat er einige Entschärfungen in seinem Buch vorgenommen, das gerade in der 14. Auflage erschienen ist – allerdings ohne darauf im Vorwort hinzuweisen. Laut einem Bericht der „Welt am Sonntag“ milderte Sarrazin einige seiner umstrittenen Thesen zu Migration und Genetik ab.

Einen Satz gestrichen

Einen Satz zu „genetischen Belastungen“ von Migranten aus dem Nahen Osten, die aus der dort üblichen Heirat unter Verwandten resultierten, habe Sarrazin komplett gestrichen. Eine andere „Entschärfung“ betrifft die Ausführungen über die Gebärfreudigkeit von Musliminnen, schreibt die Zeitung. „Demografisch stellt die enorme Fruchtbarkeit der muslimischen Migranten eine Bedrohung für das kulturelle und zivilisatorische Gleichgewicht im alternden Europa dar“, hieß es in der ersten Auflage. In der 14. Auflage hingegen habe Sarrazin die Formel „auf lange Sicht“ eingefügt.

Änderungen nahm der Autor auch bei einer Fußnote und den Dankesworten vor: So fehlt in der Neuauflage der namentliche Hinweis auf den eigentlichen Ideengeber für das Buch, einen Mitarbeiter der Deutschen Verlagsanstalt. Bei den deutschen Sozialdemokraten dürften diese kleineren Korrekturen keinen Eindruck machen. Von seinen grundlegenden Thesen rücke der Autor nicht ab, warf SPD-Fraktionsvorsitzender Frank-Walter Steinmeier Sarrazin am Wochenende in einem Interview vor. Aus diesem Grund werde das Verfahren zum Ausschluss Sarrazins aus der SPD seinen Lauf nehmen, sagte Steinmeier und fügte hinzu, er „habe nicht das Gefühl, dass eine Diskussion mit ihm (Sarrazin, Anm.) noch möglich ist“.

Gegen „Empörungsliteratur“

Die Debatte über Sarrazins Buch sei ihm in vielerlei Hinsicht ein Rätsel – nicht nur in Bezug auf die „geradezu abenteuerlichen“ Interpretationen angeblicher Wissensstände in der Humangenetik. Er habe den Bestseller gelesen, versicherte Steinmeier: „Ich lese vieles, leider auch vieles, was mir nicht gefällt.“ Ihn ärgere „die Empörungsliteratur selbst ernannter Tabubrecher“, damit über Defizite in der Gesellschaftspolitik diskutiert werde. „Diese Defizite hat doch zuvor niemand bestritten“, sagte Steinmeier.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15. November 2010)

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