Sprechblase Nr. 432. Warum wir aktuell vieles „perspektivisch sehen“.
Darstellende Geometrie ist großartig. Gleich, ob analog an der Zeichenmaschine oder digital am Computer. Man bekommt einen Blick für und auf die Dinge, wie sie sind (vorausgesetzt, man verzeichnet sich nicht).
Die Fülle an Perspektiven, die diese Disziplin anzubieten hat, ist jedenfalls enorm: von oben, unten, links, rechts, mit Fluchtpunkten und so weiter.
Weil man im Businesssprech ja speziell der Zukunft zugetan ist, wird neuerdings alles Mögliche – Achtung, Sprechblase – „perspektivisch gesehen“. Womit man nichts anderes sagen will, als dass der Blick auf die Zukunft gerichtet wird. Die Frage ist nur: auf welche Zukunft? Die ist oft nur ein Fluchtpunkt, wenn man sich nicht festlegen will.
Man muss da halt aufpassen, denn die Formulierung, so behauptet der Duden, leitet sich vom russischen Wort „perspektivnyj“ (перспекти́вный) ab – welch eine Perspektive.
In den Sprechblasen spürt Michael Köttritsch, Leiter des Ressorts "Management & Karriere" in der "Presse", wöchentlich Worthülsen und Phrasen des Managersprechs auf und nach.
Die gesammelten Kolumnen finden Sie hier.
("Die Presse" Ausgabe von 9. Oktober 2021 September 2021)