Gastbeitrag

"Ich bin ein Busekianer!" Sechs junge Menschen nehmen Abschied von Erhard Busek

Erhard Busek im Kreis der Studenten, v.li. Sebastian Swoboda, Katharina Šarić-Gruber und Julia Bauer.
Erhard Busek im Kreis der Studenten, v.li. Sebastian Swoboda, Katharina Šarić-Gruber und Julia Bauer.Beigestellt
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Am 13. März ist Erhard Busek gestorben, heute wird er beigesetzt. Sechs seiner ehemaligen Studentinnen und Studenten sagen Danke und verabschieden sich mit persönlichen Erinnerungen an den Politiker und Europäer.

Der ehemalige ÖVP-Vizekanzler Erhard Busek ist am 13. März verstorben, in den Herzen und Gedanken seiner ehemaligen Studentinnen und Studenten lebt er weiter. Sechs Personen aus diesem Kreis nehmen in persönlichen Zeilen von einem für sie prägenden Menschen Abschied. Was sie alle eint, ist eine gemeinsame Reise mit ihm nach Südosteuropa, der Gedanke Europas und die große Wertschätzung gegenüber Erhard Busek.

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Sebastian Swoboda: Es war im Jahr 2013, in einem meiner ersten Unikurse an der Karl-Franzens-Universität Graz. Erhard Busek hielt als Jean Monnet Professor*) im Rahmen des Politikwissenschaftsschwerpunkts von Professor Klaus Poier den Kurs „Transformation und Stabilisierung in Südosteuropa – Erfahrungen und Herausforderungen" ab. In kleiner Runde bekamen wir die Möglichkeit, von einem der ganz großen Mittel- und Südosteuropa-Kenner aus Theorie und Praxis zu lernen.

Es war eine unglaubliche Erfahrung für uns alle, denn Busek arbeitete in den zwei Tagen aus dem Gedächtnis, freihand ohne Unterlagen und dennoch sehr strukturiert die kulturellen Hintergründe und den Status Quo des gesamten Balkan- und Visegrád-Raums für uns auf. Seitenweise schrieb ich mit, bis mir abends beinahe der Stift aus der Hand fiel. In diesem Kurs lernte ich auf tiefe Weise seinen riesigen Wissensschatz, seine Fähigkeit, Dinge auf den Punkt zu bringen, seinen Humor und seine immer um Europa besorgte Seite erstmals persönlich kennen. Zum Abschluss des ersten Tages ließ er sich nach der Lehrveranstaltung noch in die Churchill Bar verführen – unsere Fragen und seine Antworten gingen dort noch stundenlang weiter.

Es folgten für mich zum Glück noch viele weitere spannende und lehrreiche Erlebnisse mit ihm – eine gemeinsame Unireise nach Mazedonien und Griechenland 2018, ein beruflicher Termin über die Julius Raab Stiftung, dem Think und Do-Tank, 2020 und unzählige Treffen im europäischen Dorf Alpbach in Tirol, zuletzt im September 2021. Lieber Herr Busek, ich danke Ihnen für alles, was Sie mich gelehrt haben, ich werde versuchen, es positiv einzusetzen!

Stefan Rothbart: Ich bin ein Busekianer. Wenn ein Lehrer seine Schüler und Schülerinnen sowohl mit seinen weltanschaulichen als auch akademischen Ideen so stark beeinflusst, dass wesentliche Positionen dem eigenen Denken zu eigen werden, dann entsteht eine Denkschule, in dessen Tradition sich die Schüler begreifen. So bezeichneten sich die Schüler Aristoteles als Aristoteliker oder Hegels als Hegelianer.

In irgendeinem der zahlreichen Nachrufe auf ihn habe ich gelesen, dass er Österreichs größter Europäer war. Eine Zuschreibung, die ich absolut zutreffend finde. Mir fiele in Österreich niemand ein, dessen Name in Europa wohl ein größerer Türöffner war als der von Erhard Busek. Ich erinnere mich noch sehr lebhaft an die bereits weiter oben angesprochene Studienexkursion nach Nordmazedonien und Griechenland im Jahr 2018, auf der Busek uns Studenten begleitete und wir nur durch ihn zahlreiche Treffen mit hohen Staatsfunktionären erleben durften. Dabei wurde uns klar, wie sehr man ihn in diesen Ländern ehrte, und wie prägend dieser Mann für Europa tatsächlich war.

Sein europapolitisches Engagement war nicht nur unermüdlich, sondern auch von ganz praktischer Natur. Er sprach mit Menschen, hörte zu, schuf Kontakte, pflegte Netzwerke und erzeugte Wertschätzung. Europäer wie ihn bräuchten wir viele. Echte Busekianer.

Europäer wie ihn bräuchten wir viele

Lena Franke: Auch ich hatte die Ehre, während meines Studiums an einer Exkursion nach Griechenland 2013 teilzunehmen, die von Erhard Busek in seiner Funktion als Jean Monnet Professor an der Universität Graz begleitet wurde. Als Studentin beeindruckte mich der Scharfsinn und der Weitblick dieses Mannes, der so tief mit der großen Idee der Europäischen Union verbunden war. Bei dieser Reise lernte ich nicht nur verstehen, wie sehr die kulturelle Verbundenheit Europa prägt, sondern auch, wie zentral die politische Verbundenheit für die Weiterentwicklung dieses Kontinents ist. Unvergessen sind mir auch Buseks analytische Fähigkeiten. Ihm gelang es, während der Gesprächsrunden mit hochrangigen griechischen Expertinnen, den Dreh- und Angelpunkt eines Themas aufzuzeigen und direkt anzusprechen. Manche Gesprächspartner waren durchaus überrascht, wenn Busek nach konzentriertem Zuhören mit geschlossenen Augen diese plötzlich aufschlug und eine Frage stellte, die den Gesprächspartner zu offenen Antworten nötigte. Seit dieser Reise bin ich in meinem Selbstverständnis zuallererst Europäerin.

Mario Rossmann: Erhard Busek war ein aufrechter Demokrat. Dass dies nicht nur eine vielzitierte Floskel ist, sondern seine tatsächliche Grundeinstellung widerspiegelt, durften Studierende wie ich in verschiedenen Kontexten erfahren. So waren die von ihm gehaltenen Vorlesungen an der Universität Graz immer von wertschätzenden Diskussionen über aktuelle politische und akademische Themen geprägt. Auch an der bereits erwähnten Exkursion im Jahr 2018 nach Südosteuropa konnten wir als Studierende von seinem unermesslich scheinenden Erfahrungsschatz profitieren. In keiner der dort geführten, vielfach kontroversiellen Diskussionen äußerte er sich belehrend oder gar abschätzig zu Wortmeldungen, die nicht seinem Weltbild entsprochen haben. Stattdessen versuchte er in einer ruhigen Art und Weise, auf die Argumente einzugehen. Und waren die Diskussionen
dann einmal vorbei, konnte man bei oft länger dauernden Nachbesprechungen von ihm noch vieles Weitere erfahren.

Katharina Šarić-Gruber: Buseks lebhafter Weckruf, eurozentrisches Denken zu überwinden und die Kulturen unserer östlichen Nachbarn kennenzulernen, hat mich dazu inspiriert, nur wenige Monate nach dem Besuch seiner Lehrveranstaltung in Moskau in die Transsibirische Eisenbahn zu steigen. Neben der Initialzündung für eine unvergessliche Reise durch Russland verdanke ich Erhard Busek zahlreiche Gespräche mit ihm während meiner Studienzeit, die ich stets als großes Privileg verstand. Seine Erfahrungsberichte und Einschätzungen hauchten theoretisch bekannten zeitgeschichtlichen Ereignissen für mich Leben ein. Seine Beschreibungen des vom Zweiten Weltkrieg gezeichneten Wien seiner Kindheit ließen mich Ecken der Stadt bewusster wahrnehmen. Die oft humorvollen Schilderungen über seine Jahre in der Kommunal- und Bundespolitik versah er nicht selten mit seinem fast jugendlichen Lacher, den ich als warm und ansteckend in Erinnerung habe. Was Erhard Busek für mich aber zuvorderst auszeichnete, war sein Vermögen, jungen Menschen zu vermitteln, wie wichtig ihr Beitrag für ein friedliches, vernetztes und verständnisvolles Zusammenleben auf unserem Kontinent und darüber hinaus ist. Diese Überzeugung hat sich fest in mir verankert und wird von mir – in dankbarer und wertschätzender Erinnerung an Erhard Busek – weitergetragen werden.

Lena Pirzl: Erhard Busek war einem Großteil der Österreicher und Österreicherinnen ein Begriff. Ein Name, „den man kennt“. Viele hatten die Ehre, nicht nur den Namen zu kennen, sondern ihn auch persönlich kennen gelernt zu haben. Auch mir wurde diese Ehre zu Teil. Bei Lehrveranstaltungen an der Karl-Franzens-Universität Graz, aber auch im Dorf der Denker, in Alpbach. Selbst wenn ich Anfang 20 bei weitem nicht alles verstanden habe, was er gesagt hat (so ehrlich muss ich sein), so hat mich vieles, was er gesagt hat, nachhaltig geprägt und berührt. Seine Art, die Welt zu sehen, seine Vorstellungen von Europa, die hohen Standards, die er bei Politikerinnen und Politikern ansetzte und vor allem seine Güte, die er einen bei jedem Gespräch spüren ließ, waren bestimmt mit ein Grund für mein ausgeprägtes Interesse an Politik. Wir alle, die durch seinen Tod tief bewegt sind, haben in einem Artikel der „Presse“ vom 14.3.2022 (einen Tag nach seinem Tod) folgenden Satz gelesen: „Und alles, wofür ich mein Leben lang gekämpft habe, ein friedliches und ungeteiltes Europa, wird jetzt durch diesen Irren im Kreml gefährdet“. Über den Kardinal Erzbischof von Wien Christoph Schönborn wollte er noch den Papst Anfang März für eine Friedensmission in Moskau gewinnen. Erhard Busek hat durch seinen unermüdlichen Einsatz bis zuletzt versucht, die Freiheitsrechte und liberalen Werte zu schützen und zu stärken. Ich denke, wir könnten sein Andenken nicht besser würdigen, als es ihm – gerade in Zeiten wie diesen – als Busekianer und Busekianerinnen gleich zu tun.

Zu den Autoren und Autorinnen:

Lena Franke (* 1991), ist eh. Studentin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Karl-Franzens-Universität Graz.

Lena Pirzl (* 1994) arbeitet als parlamentarische Mitarbeiterin bei Nationalrätin Fiona Fiedler, Sprecherin für Menschen mit Behinderungen, Gesundheit und Pflege (Neos)

Mario Leo Rossmann (* 1996) Studierender der Soziologie und Public Communication und 2. Bezirksvorsteher Stellvertreter Graz St. Peter.

Stefan Rothbart (* 1986) arbeitet als Chefredakteur bei den Wirtschaftsnachrichten.

Katharina Šarić-Gruber (* 1995) arbeitet als Referentin in der Energierechtsabteilung im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie.

Sebastian Swoboda (* 1992) arbeitet als Referent für die Finanzbildungsstrategie im Bundesministerium für Finanzen.

Das Jean-Monnet-Programm, auch bekannt als Jean Monnet Projekt, ist eine Initiative der Europäischen Union um Lehre, Forschung und Reflexion zur europäischen Integration an den Hochschulen zu fördern. Es ist nach Jean Monnet (1888–1979) benannt, der für viele ein Chefarchitekt der Europäischen Einigung ist. Quelle: Wikipedia

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