Er kann Urbanes und Rurales versöhnen: Hubert von Goisern begeisterte im Konzerthaus mit seiner ganz eigenen Form von Weltmusik.
Nach sechs Jahren teils coronabedingter Pause stand Hubert von Goisern endlich wieder auf einer Wiener Bühne. Endlich, weil er die Abstinenz selbst kaum mehr ausgehalten hatte; und endlich, weil dieser sanfte Renegat etwas schafft, das nur wenige, etwa Sepp Forcher, schafften: nämlich die Kluft zwischen urbanen und ländlichen Denkweisen und Gemütszuständen zu versöhnen, ohne falsche Kompromisse einzugehen.
So begann er gleich mit einem sehr nuanciert ausgeführten Jodler namens „Kiasucher“, dem er behutsam mit Trompetenklängen nachsann. Hört der Städter mal ein Hollarädulliö, dann folgt ja in der Regel ein Abwehrreflex. Dabei wird solcher Lautsilbengesang auch in Afrika, Melanesien und Sibirien gepflogen. Und Von Goisern war immer ein Internationalist. Mit neugierigen Augen bereiste er Donau und Tibet, Afrika und Grönland. Und brachte aus der Ferne frische Melodien und Einsichten mit. Aus der Tiefe der Arktis war an diesem Abend der „Grönlandhai“ zu Gast, vom Fuße der Berge trabten die „Novemberpferde“ herbei.
Die musikalischen Texturen sind bei Goisern nicht restlos ausformuliert, so kann live immer improvisiert werden. Daraus ergibt sich eine verführerische Luftigkeit der Musik, die die Konzentration stark auf die doppelbödigen Texte lenkt, etwa im leicht dadaistischen Anti-Eskapismussong „El Ektro“. Beinah seherische Qualitäten hat das 2020 veröffentlichte „Sünder“. „Koana woaß wia long's die Welt nu gebn wird“, sang er da und verwies auf Staatenlenker, bei denen man nicht weiß, wann sie durchdrehen.