Flughafen-Präsident strebt Radikallösung an

(c) Michaela Bruckberger
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Aufsichtsratspräsident Christoph Herbst peilt angesichts des komplexen Szenarios eine Radikallösung an. Er will die Ablöse aller drei Manager vorschlagen und will über Abfertigung notfalls vor Gericht streiten.

Eigentlich könnten sich die Aufsichtsräte des Wiener Flughafens freuen: Die Geschäftsentwicklung in den ersten neun Monaten zeigt wieder nach oben, Umsatz und Gewinn sind kräftig gestiegen, die Luftfahrtkrise ist überwunden. Diese Zahlen sind aber das Letzte, was die 14 Herren (davon fünf Betriebsräte) heute, Mittwoch, ernsthaft interessieren dürfte. In der brisantesten Aufsichtsratssitzung seit Langem geht es um ganz andere, weniger erfreuliche Summen: Die völlig aus dem Ruder gelaufenen Baukosten und der weit überzogene Zeitplan beim neuen Terminal Skylink. Und es geht um Konsequenzen in der Führungsspitze für das Debakel, das laut Rechnungshof-Rohbericht eine Dimension von knapp einer Mrd. Euro (inklusive Schnittstellen-Projekte) erreicht hat.

Muss einer der Chefs – wie Wiens Bürgermeister, Michael Häupl (SPÖ), der Gratiszeitung „Heute“ bestätigte – gehen? Oder zwei, oder gar alle drei? Spätestens seit der Rechnungshof Anfang September seinen vernichtenden Rohbericht zum Skylink abgeliefert hat, wird von den Oppositionsparteien ein Köpferollen gefordert. Eine Entscheidung stand auch vor der Sitzung noch nicht fest – trotz wochenlanger Diskussionen und Abstimmungen zwischen den Flughafen-Kernaktionären Wien und Niederösterreich und dem Kontrollorgan, das so wie der Vorstand rot-schwarz besetzt ist.

Es ist nicht die „Farbenlehre“ allein, die die Neuausrichtung der Flughafen-Führung erschwert. Aber sie spielt am Flughafen, einer der letzten Bastionen des Proporzes, eine große Rolle. Vorstandschef Herbert Kaufmann und Technik-Vorstand Gerhard Schmid gehören der roten Reichshälfte an. Finanzvorstand Ernest Gabmann, einst Stellvertreter Prölls, vertritt das bürgerliche Lager. Eine Ablöse Kaufmanns, die zuletzt als sicher galt, würde das rot-schwarze Gleichgewicht nicht durcheinanderbringen.

Ein Führungsduo Gabmann/Schmid würde auch der Empfehlung von Berater Roland Berger entsprechen, der in seiner Expertise zur Neuorganisation des Flughafens einen Zweiervorstand für ausreichend hält. Allerdings gibt es gegen Gabmann/Schmid eine Reihe sachlicher Argumente. „Am Maßstab des Aktienrechts gemessen, agiert Gabmann unkonventionell“, umschreibt ein Aufsichtsrat den Eindruck, den der Niederösterreicher in diversen Sitzungen hinterließ.

Auch der von Gabmann verfügte Baustopp beim Skylink und die Neuvergabe der Professionistenaufträge (zum Teil ohne Ausschreibung) wird nicht goutiert. Schmid wiederum verstehe viel von Technik, er scheue jedoch Entscheidungen, heißt es. Weshalb die Furcht wächst, dass sich mit Gabmann/Schmid das Chaos noch vergrößern und das börsenotierte Unternehmen in ein Finanzdebakel schlittern könnte.

Die Alternative – auch Gabmann geht und Schmid bekommt einen neuen Kollegen an die Seite – scheint jedoch auch schwer durchsetzbar zu sein. Das würde bedeuten, dass Pröll, der Gabmann statt des gefeuerten Christian Domany eingesetzt hat, eine Fehlentscheidung eingestehen müsste – was dem niederösterreichischen Landesfürsten eher fern liegt.

Angesichts des komplexen Szenarios und der nach wie vor unterschiedlichen Positionen peilt Aufsichtsratspräsident Christoph Herbst eine Radikallösung an, wie „Die Presse“ in Erfahrung bringen konnte. Er will die Ablöse aller drei Manager vorschlagen. Den Hebel bildet der §75 des Aktiengesetzes, wonach die Bestellung eines Vorstands wegen eines „wichtigen Grundes“ widerrufen werden kann. Ein solcher Grund ist „grobe Pflichtverletzung“ oder „Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung“.

Ob Herbst im Aufsichtsrat die Mehrheit bekommt, ist offen. Zumal es die Abfertigung zu klären gilt, die in Summe zwei bis drei Mio. Euro ausmacht. Herbst will dem Vernehmen nach für einen kompletten Neuanfang sogar einen Rechtsstreit um die Abfertigung in Kauf nehmen. Die Ansprüche könnten auch bis zur Beendigung des laufenden Strafverfahrens auf Eis gelegt werden, wie das die FPÖ verlangt. Rechtsanwalt Herbst hat jedenfalls Pröll hinter sich, der ihm das Pouvoir gegeben haben soll, das zu tun, was er für das Beste hält. Einen Weg aus der Pattsituation muss es geben – Überraschungen sind nicht ausgeschlossen. Die nächste Sitzung ist am 15.Dezember.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2010)

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