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Die Stromkosten werden zur Überlebensfrage

Waren sich über weite Strecken bei der Presse-Diskussion einig: Ökostrom muss schleunigst auf Touren kommen. Jürgen Bauer (Gebrüder Weiss GmbH), Wolfgang Anzengruber (Verbund AG), Eva Komarek (Styria Media Group AG) und Richard König (Enery).
Waren sich über weite Strecken bei der Presse-Diskussion einig: Ökostrom muss schleunigst auf Touren kommen. Jürgen Bauer (Gebrüder Weiss GmbH), Wolfgang Anzengruber (Verbund AG), Eva Komarek (Styria Media Group AG) und Richard König (Enery). Günther Peroutka
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Ökostrom. Ständig steigende Energiepreise – im hochkarätig besetzten Panel diskutierten die Experten, wie man die Versorgungssicherheit gewährleisten und eine Energiewende beschleunigen und umsetzen kann.

Industrie in der Energiekrise – Mit Ökostrom Kosten sparen und schneller klimaneutral werden –so lautete der Titel des Branchentalks, gemeinsam veranstaltet von der Presse und dem Grünstromerzeuger Enery. Eva Komarek, General Editor for Trend Topics der Styria Media Group AG, leitete im Wiener k47 die Diskussion, an der Richard König, CEO Enery, Wolfgang Anzengruber, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Verbund AG, Jürgen Bauer, Mitglied der Geschäftsleitung der Gebrüder Weiss GmbH und online zugeschaltet aus Deutschland Christiane von Berg, Regional Economist Northern Europe von Coface, teilnahmen.

Die Energiepreise steigen nicht erst seit dem Russland/Ukraine-Konflikt. Zwischen Oktober 2020 und 2021 kletterten die Strompreise in Österreich um zehn Prozent nach oben, die Erdgaspreise sogar um satte 116 Prozent. Coface-Chefvolkswirtin von Berg nannte die Gründe für die Preissteigerung: „Einerseits die Erholung der Wirtschaft nach dem Pandemiejahr 2020, weil der gestiegenen Nachfrage die Verknappung gegenübersteht. In vergangenen Rezessionen waren nur einzelne Regionen oder Länder betroffen, nun trifft es erstmals die gesamte Welt.“ Der Ausstieg Deutschlands aus der Nuklearenergie sorgt zusätzlich für eine Verknappung. Seit Beginn des Krieges in der Ukraine hat sich diese Entwicklung nochmals beschleunigt. Die Economistin von Coface beobachtet starke Steigerungen bei den Produzentenpreisen, die direkt an die Kunden weitergegeben werden. „Sowohl in Österreich als auch Deutschland verzeichnet die Statistik die höchsten Preisanstiege seit Aufzeichnung“, so von Berg. Hohe Energiepreise, Energieabhängigkeit und Versorgungsengpässe – diese Entwicklung bedeutet eine große Kostenbelastung für die österreichische Industrie und Gewerbebetriebe. „Betroffen sind nahezu alle Unternehmen, besonders stark natürlich energieintensive Betriebe, wie die Chemiebranche, Papier- und Stahlindustrie, aber auch die Lebensmittelindustrie“, sagte von Berg.

Nur teilweise gut aufgestellt

Österreich als Land der Wasserkraft ist beim Strom auf dem Gebiet
erneuerbarer Energie vorbildlich. Strom macht aber nur rund 20 Prozent der benötigten Energie aus. Das weiß auch Wolfgang Anzengruber, der mit dem Verbund im größten Stromunternehmen des Landes tätig war. Er sprach sich in der Diskussion klar für die konsequente Umsetzung der Energiewende aus. „Man muss sich immer ansehen, woher die Preissteigerung kommt. Sie wird eindeutig von den fossilen Energieformen getrieben und nicht von der erneuerbaren Energie.“ Größerer Bedarf gepaart mit weniger Angebot hat dazu geführt, dass Gaskraftwerke notwendig sind, um die Versorgung sicherzustellen. Somit treiben die Gaskraftwerke den Strompreis nach oben, obwohl Strom aus erneuerbaren Energien in Österreich bereits rund 75 Prozent des Strommixes ausmacht. Und hier kommen 65 Prozent des gesamten in Österreich erzeugten Stroms aus Wasserkraft.

Die restlichen Formen (Wind, Sonne, Biomasse usw.) machen 10 bis 12 Prozent aus. Sieht man sich den gesamten Energiebedarf in Österreich an, schrumpft der Anteil der Erneuerbaren auf knapp 34 Prozent. Als Mitglied der Initiative „CEOs for Future“ beteiligte sich Anzengruber am Positionspapier zur Optimierung der Versorgungssicherheit für Industrie, Wirtschaft und Gesellschaft. „Neben den kurzfristigen Maßnahmen, die wir unmittelbar jetzt benötigen, um Preise zu dämpfen, müssen mittelfristig die erneuerbaren Energien stärker vorangetrieben werden.“

Weniger Kosten

„Industrieunternehmen müssen nicht zwingend die Marktpreise für Strom bezahlen, sie können langfristig viel günstiger (aktuell zu einem Drittel im Vergleich zum aktuellen Spotpreis) Ökostrom über PPAs einkaufen“, sagte Enery-CEO Richard König. Der Grünstromerzeuger verhilft Unternehmen über Photovoltaik-Freiflächenanlagen (PV-Anlagen) und Windparks zu günstigen Stromkosten. Beispiel: Der deutsche Chemiekonzern BASF würde laut Marktpreis 250 Euro pro Megawattstunde Strom bezahlen, wäre das Unternehmen nicht einen langfristigen Vertrag mit einem Offshore-Windpark eingegangen. Dadurch belaufen sich die Kosten für eine Megawattstunde auf 50 bis 70 Euro.

Vor einigen Jahren waren sogenannte PPAs (Power Purchase Agreements), darunter versteht man langfristige Stromliefer- und Strombezugsverträge, bei Unternehmern noch wenig attraktiv. Mittlerweile findet bei den Unternehmern ein Umdenken statt. Enery verzeichnet enorme Nachfrage der Firmen nach PPAs. „Immerhin werden die steigenden Energie- und Strompreise für viele Betriebe zur Überlebensfrage, wenn die kurzfristigen Fördermodelle auslaufen. Wir wissen, dass Ökostrom heute bei Weitem die günstigste Form der Energieerzeugung ist“, ist König überzeugt.

Platz schaffen

Um wirtschaftlich konkurrenzfähig zu bleiben, müssen deutlich mehr Flächen für Photovoltaik und Windenergie zur Verfügung gestellt werden. König rechnete vor, dass es 0,2 Prozent der Fläche von Österreich bedarf, um kompetitiven Solarstrom auf der Freifläche zu produzieren. „Gelingt uns das nicht, droht ein Abwandern der energieintensiven Industrien, wie etwa der Papier- und Chemieindustrie, weil Energiekosten für viele Bereiche ein überlebenswichtiger Standortfaktor sind“, betonte König.

Wie es funktionieren könnte, beweist das in Vorarlberg ansässige internationale Transport- und Logistikunternehmen Gebrüder Weiss mit seinen eigenen Solaranlagen und Windparks. „Wir begannen in erneuerbaren Strom zu investieren, noch lange bevor es zum Hype wurde“, sagte Gebrüder-Weiss-Vorstand Bauer. „Unser Bestreben ist, mehr ökologische Energie zu erzeugen als wir verbrauchen.“ Gebrüder Weiss decken mittlerweile über 100 Prozent des Strombedarfs selbst, allerdings kann das Unternehmen davon lediglich 15 Prozent direkt im eigenen Netz verwerten – weil der Logistiker vorwiegend nachts aktiv ist, wenn keine Sonne scheint.

Ein großer Anteil der CO2-Bilanz beruht bei Gebrüder Weiss auf den Schwerverkehr. In Pilotprojekten hat GW mit Kunden bereits LKWs mit alternativen Antrieben im Einsatz. Zum Beispiel in der Schweiz Wasserstoff-betriebene Lastwägen. Insgesamt dominieren beim Transport derzeit aber noch die Dieselmotoren. „Es ist in absehbarer Zeit auch keine wirklich effektive Lösung in Sicht, weil die Kosten für verfügbare LKWs mit alternativen Antrieben teilweise beim Vierfachen im Vergleich zu einem Diesel-LKW liegen“, begründete Bauer. Die Wasserstofftechnologie könnte mittelfristig der beste Weg sein. „Am Anfang genügen wenige Wasserstofftankstellen in Österreich, um System- und Schwerverkehr in dem Bereich, wo er planbar ist, umzustellen.“ Aber hier vermisst der Gebrüder-Weiss-Vorstand ein klares Bekenntnis der Politik, ob es für Unternehmen Sinn macht, in Wasserstofftechnologie zu investieren.

Diversifiziert vernetzen

Die Ziele des Regierungsprogramms: ausschließlich erneuerbarer Strom bis 2030 und klimaneutral bis 2040. Um das zu schaffen, müssen die Hürden für erneuerbare Energieformen abgebaut werden, wie etwa Widmungs-, Genehmigungs- und Einspeisefragen. Anzengruber hielt jedoch fest: „Energieautarkie wird sich in Österreich niemals ausgehen. Dazu ist das Land zu klein.“ Alleine wenn die Voest Alpine komplett auf erneuerbare Energie umsteigen würde, bräuchte sie 40 Prozent des aktuellen Stromverbrauchs in Österreich. „Entscheidend ist diversifiziert vernetzen und eine Technologie forcieren, die variabel kostenfrei ist.“

Weitere Informationen: enery.energy

INFORMATION

Der Talk fand auf Einladung von „Die Presse“ statt und wurde finanziell unterstützt von Enery Development GmbH.


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