Junge Forschung

Die Wissenschafts-PR der Neuzeit

Ob astronomische Traktate oder Abhandlungen über Vulkanismus: Johanna Luggin fasziniert, wie neuzeitliche Forscher ihre Entdeckungen erörtert haben.
Ob astronomische Traktate oder Abhandlungen über Vulkanismus: Johanna Luggin fasziniert, wie neuzeitliche Forscher ihre Entdeckungen erörtert haben. [ Thomas Steinlechner ]
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Anhand neulateinischer Texte erforscht die Altphilologin Johanna Luggin, wie und warum sich bestimmte naturwissenschaftliche Hypothesen historisch durchsetzen konnten.

Forschende hatten es nie ganz leicht, der Gesellschaft ihre Ideen nahezubringen. In der frühen Neuzeit bedurfte es allerdings besonderer Gewitztheit, um zu überzeugen. „Man muss sich vor Augen führen, dass es damals Umwälzungen in den Naturwissenschaften gab, die das bisherige Weltbild völlig auf den Kopf stellten“, sagt Johanna Luggin.

„Beginnend mit der kopernikanischen Erkenntnis, dass sich die Erde um die Sonne dreht und nicht umgekehrt.“ Für die Kirche waren Kopernikus, Galilei und Co. gefährliche Ketzer; Mathematik, Astronomie, Chemie oder Medizin im heutigen Sinn bildeten sich gerade erst heraus. Zeugnis davon gibt ein riesiges Corpus an Texten in neulateinischer Sprache, das nicht zuletzt mithilfe von Big Data systematisch auf bestimmte Fragestellungen untersucht werden kann.

Antike Rhetorik als Vorbild

Zur Person

Luggin ist Mitarbeiterin am Innsbrucker Ludwig-Boltzmann-Institut für Neulateinische Studien und im Begriff, sich am Institut für Klassische Philologie und Neulateinische Studien der Uni Innsbruck zu habilitieren. Ihr Forschungsgegenstand, das Latein der Neuzeit, war zwischen dem 15. und späten 18. Jahrhundert übernationale Verkehrssprache der gebildeten westlichen Welt. „Bis etwa 1700 wurden in Europa wesentlich mehr lateinische Texte produziert als in den Nationalsprachen, und durch die Erfindung des Buchdrucks ist viel mehr davon erhalten als Überlieferungen aus der Antike“, so die 36-Jährige. „Hier gibt es ständig Neues zu entdecken.“

Dabei sind die Innsbrucker Latinisten Pioniere. „Wir geben Erstübersetzungen von Texten zum Teil weltberühmter Protagonisten der neuzeitlichen Weltbühne heraus, interpretieren und kommentieren sie und ordnen sie ein. Das eröffnet Forschenden aus anderen Disziplinen einen Zugang zu zuvor unbekannten Details, die für ihr Fach relevant sind.“
Luggins Habilitationsprojekt dreht sich um die zwischen 1600 und 1750 schriftlich dokumentierte Überzeugungskunst von Naturwissenschaftlern. „Deren Texte unterscheiden sich stark von den heutigen nüchternen, betont sachlich und objektiv gehaltenen Forschungsarbeiten“, erklärt sie. „Unter anderem griffen die Wissenschaftler auf rhetorische Strategien der Antike zurück und argumentierten stellenweise sehr emotional, um ihre Leserschaft für ihre Hypothesen zu gewinnen. Da werden etwa beobachtete Sternbewegungen mit Taten antiker Helden verglichen oder Vulkanbesteigungen in den glühendsten Farben geschildert.“ Wer von einem renommierten Wissenschaftler ausgebildet wurde oder Protegé eines Machthabers war, betonte mit dem nachdrücklichen Verweis darauf die eigene Kompetenz.

Ein auf 48 Monate angesetztes Erika-Cremer-Stipendium der Uni Innsbruck für exzellente Nachwuchsforscherinnen ermöglicht es Luggin, sich nach ihrer aktuellen Elternzeit ganz dieser Arbeit zu widmen. „Bei den üblichen universitären Projektanstellungen bedeuten familiäre Auszeiten oft über kurz oder lang den Ausstieg aus der Forschung“, veranschaulicht sie. „Diese Förderung unterstützt mich dabei, meine akademische Karriere nicht abreißen zu lassen.“ Luggin wird sich vor allem auf Astronomie, Medizin und Erdwissenschaften konzentrieren und dazu Texte von Geistesgrößen wie Johannes Kepler oder René Descartes heranziehen. „Ich möchte zeigen, wie gerade die Kenntnis der antiken Rhetorik und deren geschickter Einsatz so manchem neuzeitlichen Forscher zum Erfolg verhalfen.“

Dass sie in dieser Arbeit ihr naturwissenschaftliches Interesse mit ihrer Expertise als Altphilologin verbinden kann, freut die Südtirolerin: „Ich habe ja nach der Matura zwischen diesen beiden Richtungen geschwankt.“ Im Elternhaus wurden Geschichte und Literatur hochgehalten, im Gymnasium dominierte ein naturwissenschaftlicher Schwerpunkt. „All das gefiel mir, aber die Liebe zu den Altertumswissenschaften hat gesiegt.“ Privater Ausgleich der Forscherin sind Familie und Freunde. „Mein kleiner Sohn versteht es glänzend, mich abzulenken, und sein neugeborener Bruder wird ihm sicher bald gut dabei assistieren.“Johanna Luggin (36) studierte in Innsbruck Alte Geschichte und Altorientalistik (MA) und promovierte 2015 in Klassischer Philologie (Latein). Sie ist am Innsbrucker Ludwig-Boltzmann-Institut für Neulateinische Studien und an der Uni Innsbruck tätig. Luggin wurde unter anderem mit dem Otto-Seibert-Preis und Förderungen der Richard-und-Emmy-Bahr-Stiftung ausgezeichnet.

Alle Beiträge unter: www.diepresse.com/jungeforschung

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