Popkritik

Melodie? Nur im Doppelpack mit Kakofonie!

Sub Pop/Nathan Keay
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Schönheit mit Lärm – und in Zeitlupe: Das US-Trio Low begeisterte im Wiener WUK.

Drei finstere Gestalten vor einer flackernden LED-Wand. Die Dame darf sitzen. Nicht aus Höflichkeit, sondern weil sie die Trommeln rührt. Die zwei Herren schrubben die Gitarrensaiten. Das für die Verzerrungen verantwortliche Effektpedal kam schon beim Opener ins Glühen: „White Horses“, das auch das aktuelle Album „Hey What“ eröffnet, ist ein merkwürdiges, aber bekömmliches Gemisch aus Lärmkaskaden und Harmoniegesang. Der Puls ist gemessen am bei dieser Band üblichen Zeitlupenrhythmus fast flott.

Sänger Alan Sparhawk schlug bald das große Buch seiner Sorgen auf. „The consequences of leaving would be more cruel if I should stay“, sang er auf den Schwingen einer euphorischen Melodie, kontrapunktisch zur gleichzeitigen Lärmentwicklung. Er wolle seinem Publikum zunehmend „tension without release“ bieten, erklärte er der „Presse“, Auflösung der musikalischen Spannung interessiere ihn derzeit nicht. Vielleicht ist das ein bewusster Widerpart zum höchst lyrischen „Ones And Sixes“ (2015), auf dem sich Low näher an unverstellte Schönheit gewagt haben als je zuvor.

Variation über Bonnie & Clyde

So oder so, die 1993 gegründete Band feiert in den letzten Jahren Chartserfolge, die ihnen vorher nicht gegönnt waren. Und so hatte sich auch die schon länger dienende Jugend im WUK eingefunden, darunter „Musicbox“-Urgestein Wolfgang Kos. Ob in dessen ewigem „Popmuseum" die Musik von Low noch unter dem einst von Songwriter Sparhawk geprägten Terminus Slowcore läuft?

Gitarrist Sparhawk und Schlagzeugerin Mimi Parker bilden jedenfalls seit Anbeginn das Zentrum der Band Low, die in den 29 Jahren ihres Bestehens vier Bassisten verbraucht hat. Der jetzige, Steve Garrington, hält sich seit 2011. Die drei klangen bei der Rundreise durch ihr verzweigtes Werk sehr kompakt: „Sunflower“, eine tragische Variation des Bonnie-&-Clyde-Themas, bezirzte genauso wie „No Comprendre“, ein Lied mit Western-Flair. Beherzt balancierten Low zwischen deutlich Abgründigem und ihrer gar nicht so geheimen Liebe fürs Idyll.
Wohl nicht zufällig hatte eine Besucherin das altgriechische Wort „Ataraxie“ in den Oberarm eintätowiert: Es war tatsächlich ein Hochamt, das konsequent in Richtung Seelenruhe führte.

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