Sozialwissenschaften

Wer geht nicht ins Museum?

Gebildet, kulturinteressiert, gut situiert: So stellt man sich das klassische Museumspublikum vor. Ein Vorarlberger Forschungsteam hinterfragt das und sucht Gründe, warum Menschen nicht ins Museum gehen.

Die Aufgabe ist gar nicht so einfach: Wie findet man heraus, warum Menschen nie ins Museum gehen? Schließlich kann man das ausbleibende Publikum nicht einfach am Museumseingang befragen, weil es dort ja gar nicht ankommt. Ein Forschungsprojekt der FH Vorarlberg will sich nun genau dieser Frage annehmen: Wer sind die Nichtbesucher? Dahinter steht die noch viel wichtigere Frage, welche Barrieren Besuchergruppen davon abhalten, das Kulturangebot wahrzunehmen.

Ziel ist es, diversere Publikumsgruppen zu aktivieren. „Im ersten Moment denkt man an die klassischen Bildungsbürger als Museumsbesucher“, sagt Fabian Rebitzer, Leiter der Forschungsgruppe Empirische Sozialwissenschaften der FH Vorarlberg. Aber schon bei genauerem Hinsehen stellt sich diese erste Annahme als falsch heraus. „Das Museumspublikum als einheitliche Gruppe gibt es nicht. Es ist sehr vielfältig“, sagt Rebitzer. Da sind die Museen, die eher Familien ansprechen, und andere, die mit Kunst oder Volkskultur ganz andere Zielgruppen haben. Dazu kommen saisonale Effekte, wenn in einer Stadt oder Region viele Touristen unterwegs sind. Und trotzdem bleibt bei allem die Kernfrage, wer diese Angebote aus welchen Gründen nicht nützt. „Es gibt Gruppen, die gar nicht auf die Idee kommen, ins Museum zu gehen. Ein Ausstellungsbesuch ist als Möglichkeit der Freizeitgestaltung nicht präsent“, beobachtet Rebitzer. Diese Gruppen müssten erst ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass Museen spannend sind und dort aktuelle Inhalte diskutiert werden.

Unterschiedliche Barrieren

Deshalb will Rebitzer mit seinem Team in einem ersten Schritt herausfinden, welche Gründe es gibt, nicht ins Museum zu gehen. Das kann von nicht attraktiven Ausstellungsthemen über architektonische Barrieren bis hin zur sprachlichen Aufbereitung von Inhalten reichen. Auch sozioökonomische Gründe kommen infrage: Der Eintritt ist für manche Menschen zu teuer. Dazu kommt, dass sich durch die Coronapandemie das Freizeitverhalten verändert hat, Menschen haben sich andere Beschäftigungen erschlossen.

Um den verschiedenen echten und vorgeschobenen Barrieren auf den Grund zu gehen, sind Befragungen von Museumsbesuchern sowie von einer repräsentativen Stichprobe der Vorarlberger Gesamtbevölkerung geplant. Dabei soll es nicht nur um Museumsbesuche, sondern auch um Freizeitverhalten bzw. das Interesse an Kunst- und Kulturangeboten generell gehen. Weil es nach den Lockdowns noch Zeit braucht, bis sich ein halbwegs normales Nutzungsverhalten der Kultureinrichtungen wieder eingependelt hat, wartet Rebitzer mit diesem Teil der Untersuchung noch bis zum Herbst.

Zusätzlichen Aufschluss über die Barrieren werden begleitete Museumsbesuche von Menschen geben, die normalerweise den Ausstellungen fernbleiben. In qualitativen Interviews werden vor dem Besuch Erwartungen und Vorbehalte und danach die Eindrücke und Erfahrungen erhoben. Geplant sind auch Workshops mit Vertretern von Museen sowie Besucher- und Nichtbesuchergruppen.

Am Ende soll eine Art Werkzeugkoffer entstehen, aus dem sich die Verantwortlichen in Museen jene Tipps und Maßnahmen aussuchen können, die ihnen helfen, in Zukunft ein diverseres Publikum anzusprechen – sowohl digital als auch ganz traditionell beim echten Ausstellungsrundgang.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2022)

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