Cold Case

„Mord ohne Leiche“: Glatter Freispruch

Der Angeklagte beim Auftakt seines Prozesses. Er bekannte sich nicht schuldig.
Der Angeklagte beim Auftakt seines Prozesses. Er bekannte sich nicht schuldig.APA/Georg Hochmuth
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Ende im Mordprozess um eine Architektin, die vor 17 Jahren auf mysteriöse Art verschwunden ist.

„Wenn man alles zusammen betrachtet, jedes einzelne Indiz, dann entsteht ein Mosaik. Und dieses ergibt ein eindeutiges Bild.“ Dies stellte Donnerstagnachmittag Staatsanwältin Julia Kalmar im Geschworenenprozess gegen den 65-jährigen Heinrich G. fest.

Der frühere Lkw-Fahrer und Wettkampfruderer habe, so die Anklägerin, seine Frau ermordet. Und ihre Leiche verschwinden lassen. Die Geschworenen sahen das anders, ganz anders. Einstimmig sprachen sie sich nach kurzer Beratung für einen Freispruch aus. Der Mann wurde sogleich enthaftet. Die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab, der Freispruch ist daher nicht rechtskräftig.

Der Fall war schon einmal, vor 17 Jahren, untersucht worden. Damals saß G. etliche Monate in U-Haft, ehe die Causa eingestellt wurde. Voriges Jahr wurde die Sache als Cold Case neu aufgerollt. Es kam zu einer Mordanklage, welche auf einer „geschlossenen Indizienkette“ fußt.
Wie die Frau des Ruderers, die Frau, mit der G. eine Tochter hat, zu Tode gekommen ist und wo ihre sterblichen Überreste zu finden sind, weiß man bis heute nicht. Die bald 19 Jahre alte Tochter hat als Zeugin ausgesagt. Sie war zweieinhalb, als ihre Mutter von einem auf den anderen Tag spurlos verschwand. „Ich habe immer ein gutes Bild von der Mama gehabt. Ich glaube, dass sie lebt“, gab die Tochter zu Protokoll.

„Reines Gewissen“ 

Ihren erneut in U-Haft sitzenden Vater beschrieb die junge Frau als fürsorglich und humorvoll. Auch er wisse nicht, was mit seiner Frau geschehen sei, gab Heinrich G. an. Mörder sei er keiner. „Ich habe zu hundert Prozent ein reines Gewissen.“ Die Anklage war anderer Ansicht: Er habe vom Tattag, 6. Dezember 2005, immer neue Versionen erzählt. An jenem Tag war seine – in Scheidung lebende – Frau, eine damals 31-jährige Architektin, zu ihm in die Wohnung in Wien Donaustadt gekommen, um Sachen abzuholen und in ihre neue Wohnung zu verfrachten.

»„Er brachte mehrere Versionen. Doch alle Geschichten konnten widerlegt werden.“
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Staatsanwältin Julia Kalmar

Zu diesem Besuch hatte die Frau die Tochter mitgenommen. Dann habe die Mutter, ihrerseits Rudersportlerin, plötzlich gemeint, sie wolle trainieren gehen, habe die Tochter in der Wohnung gelassen, sei noch einmal gekommen, habe niemanden gehabt, der ihr geholfen hätte, Gegenstände aus der Wohnung zu transportieren, sei daraufhin verärgert abgezogen. Allein. Sie habe, so der Angeklagte, die Tochter über Nacht bei ihm gelassen, sei am nächsten Tag erneut gekommen, dann von einem Unbekannten abgeholt worden – und nie mehr aufgetaucht. Eine unglaubwürdige „Geschichte“, fand die Staatsanwältin.

Folie, Trockenbeton und ein Transporter

Die Frau hätte ihr Kind nicht zurückgelassen. „Noch dazu, ohne sich zu verabschieden“ – so hatte es der Angeklagte geschildert. Zwei SMS, die die Mutter in der Nacht vor ihrem Verschwinden angeblich an den Angeklagten verschickt haben soll, seien in jenem Bereich abgesetzt worden, in dem der Angeklagte wohnt. Und nicht von der neuen Wohnung der Frau. Einen Tag nach der Tat kaufte G. in einem Baumarkt Folie und Trockenbeton. Drei Tage nach der Tat borgte er sich einen Transporter aus. Diese spreche laut Anklage dafür, dass er die Leiche der Frau habe verschwinden lassen.

Das Motiv laut Staatsanwältin: Die Frau habe sich von G. getrennt. Dadurch sei die Distanz zur Tochter größer geworden. Laut Zeugen habe G. darüber gewacht, dass die Tochter möglichst viel bei ihm sei. Allein, die Indizien reichten für einen Schuldspruch nicht.

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