Wien

Naturhistorisches Museum: Forschen „im Geheimen“

(c) Die Presse/Clemens Fabry (Clemens Fabry)
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Von vielen unbemerkt ist das Naturhistorische Museum eine der größten Forschungseinrichtungen des Landes. Am heutigen Freitag zeigt es einen kleinen Teil seiner Forschungsarbeiten bei der „Langen Nacht der Forschung“.

Es ist zwar kein Fund, über den Badegäste in große Freude ausbrechen. Aber wissenschaftlich gesehen war es eine kleine Sensation, als Forscher des Naturhistorischen Museums (NHM) vor Kurzem erstmals den Nachweis von Trichobilharzia physellae in Österreich erbringen konnten.

Denn dieser Saugwurm – dessen Larven bei badenden Menschen einen Hautausschlag hervorrufen können, die Badedermatitis – kam bisher nur in Nordamerika vor. Parasitologen des NHM konnten ihn anhand von Schnecken, die von den Würmern als Wirte benutzt werden, und mittels DNA-Untersuchung erstmals in einem kleinen Badesee in Oberösterreich nachweisen.

Die wissenschaftliche Suche nach Saugwürmern ist nur eines von zahlreichen Forschungsfeldern, in denen das Naturhistorische Museum tätig ist. Denn auch wenn das NHM von den meisten Menschen als das wahrgenommen wird, was es (natürlich) auch ist – ein Museum –, gehört es, von der Öffentlichkeit fast unbemerkt, zu den größten außeruniversitären Forschungseinrichtungen Österreichs. Einen (kleinen) Einblick in die Forschungsarbeiten im NHM bekommen Besucher Freitagabend bei der Langen Nacht der Forschung, in der man auch Zutritt zu sonst nicht zugänglichen Bereichen des Hauses hat (siehe Artikel auf der Doppelseite ganz links).


Was die Forschung am NHM besonders macht: Anders als viele andere Forschungseinrichtungen, die oft auf ein gewisses Feld spezialisiert sind, ist die Bandbreite im Museum eine hohe – sie umfasst Geistes- und Sozialwissenschaften ebenso wie, natürlich, Naturwissenschaften.

60 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind am NHM beschäftigt und forschen unter anderem im Bereich der Geologie – hier zählt man international zu den bedeutendsten Forschungseinrichtungen – Archäologie oder Zoologie. Aktuelle Beispiele? Zu den jüngsten Forschungsarbeiten zählt die Entdeckung des Deltas der Ur-Donau, die vor etwa 11,5 Millionen Jahren durch das Alpenvorland geflossen ist. Gemeinsam mit Experten der Universität Graz und der OMV (die die moderne 3-D-Seismik beisteuerte) konnten Geologen und Prähistoriker des NHM besagtes Delta im Norden Wiens in mehr als 600 Metern Tiefe nachweisen.

Das Rätsel der Venus

Auch rund um das wohl berühmteste Exponat des Naturhistorischen Museums, die Venus von Willendorf, konnte kürzlich ein Rätsel gelöst werden: Denn die Statuette ist aus Oolith geschaffen, einem speziellen Kalkstein, der in der Gegend um Willendorf in der Wachau, wo die Venus im Jahr 1908 gefunden wurde (übrigens ebenfalls von Forschern des NHM), nicht vorkommt.

Erst heuer hat ein interdisziplinäres Forschungsteam von Uni Wien und NHM herausgefunden, dass das Material, aus dem die Venus von Willendorf geschaffen wurde, mit hoher Wahrscheinlichkeit aus Norditalien stammt. Gelungen ist dies auch mithilfe hochauflösender tomografischer Aufnahmen.

30 Millionen Objekte

Denn natürlich verfügt das NHM hinter den Museumskulissen über die nötige Infrastruktur, darunter ein Labor für molekulare Systematik („DNA-Labor“) und ein 3-D-Labor mit Mikrotomograf. Noch viel einzigartiger freilich ist die umfassende Sammlung, eine der weltweit größten, auf die die Wissenschaftler im NHM zurückgreifen können: Sie umfasst 30 Millionen Objekte.

Der überwiegende Teil dieser Objekte lagert im Tiefspeicher unter dem Museum. Unter genau abgestimmten Bedingungen (Trockenheit, Luftfeuchtigkeit, Temperatur etc.) wird hier die historische Sammlung des Hauses bewahrt: In Alkohol eingelegte Schlangen ebenso wie unüberschaubar viele (wiewohl akribisch dokumentierte) präparierte Vögel der Vogelsammlung. Die Objekte im 23,25 Meter tiefen Speicher sind dabei keineswegs, wie oft vermutet, als Reserve für die Schauräume, sondern für wissenschaftliche Zwecke gedacht, etwa für genetische oder morphologischen Untersuchungen. Allein wegen der herpetologischen Sammlung (Amphibien und Reptilien) kommen pro Jahr auch an die 50 externe Forscher aus aller Welt ins NHM.

Nur zwei Prozent im Museum

Für die Öffentlichkeit sind die Schätze im Tiefspeicher nicht zugänglich, ihnen bleibt der Museumsbereich. Der natürlich für einen Besuch auch ausreichend ist – in dem aber nur rund zwei Prozent der riesigen Sammlung des NHM zu sehen sind.

Am Naturhistorischen Museum wird freilich nicht nach Belieben geforscht: Ein international zusammengesetzter wissenschaftlicher Beirat steht dem Museum zur Seite und berät in Hinblick auf „Relevanz, Angemessenheit der Methoden und mögliche Verwertung“, wie es heißt.

Im Fall der eingangs erwähnten Saugwürmer könnte es nicht der letzte Fund der NHM-Wissenschaftler gewesen sein. Sie vermuten, dass längst nicht alle Arten erforscht sind. Schon zwei Jahre zuvor hat das NHM mit dem Trichobilharzia franki eine weitere Saugwurmart erstmals in Österreich nachgewiesen. Der Hautausschlag, den die Larven bei Menschen auslösen, ist übrigens hartnäckig – aber harmlos.

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