Biochemie

Fettstoff hemmt Stress in den Zellen

In unseren Zellen läuft ständig ein Wechselspiel vieler Stressfaktoren ab. Ein Innsbrucker Team fand darin einen Ansatz für mögliche Therapien gegen Krebs.

Viele Menschen bemerken, dass sich Stress auf die Fettreserven ihres Körpers auswirkt. Die einen nehmen leichter zu, andere magern ab. Doch was wir unter Stress verstehen, ist oft ganz etwas anderes als die Liste an Eigenschaften, die in der Wissenschaft als Stressfaktoren für unsere Zellen und Gewebe beschrieben werden.

Ein Team der Uni Innsbruck hat sich auf das Zusammenspiel von Fettstoffen und Zellstress spezialisiert. Die pharmazeutischen Chemiker um Andreas Koeberle vom Michael-Popp-Institut waren auf der Suche nach Mechanismen, die das Gleichgewicht von Stress und Zelltod beeinflussen.

Der programmierte Zelltod klingt zwar brutal, ist aber für unsere Gesundheit immens wichtig, da durch ihn schadhafte Zellen ausgeschaltet werden. Läuft die Regelung des Zelltods aus dem Ruder, können Diabetes, Krebs oder Nervenerkrankungen entstehen. In einer Zelle, die nicht so funktioniert, wie sie sollte, setzen verschiedene Stressreaktionen ein, die eine Reparatur des Schadens einleiten. „Wir haben Pflanzenstoffe getestet, die auf Zellen toxisch wirken, wie Myrtucommulon A, das aus der Myrte gewonnen wird“, erklärt Koeberle die Vorgangsweise mit pflanzlichen Wirkstoffen. Dieser Myrte-Stoff veränderte die Zusammensetzung der Fettstoffe in Zellen deutlich; so entstand die Idee, über Naturstoffe zu lernen, was in der menschlichen Zelle vorgeht.

Auf ein Lipid kommt es an

Die Forschenden untersuchten Mechanismen, die zelluläre Stressreaktionen regulieren. Daran sind viele Enzyme beteiligt, wie auch das Enzym SCD1. Es wandelt gesättigte Fettsäuren in ungesättigte um und wirkt so gegen Stress, der durch Fette in schädlichen Konzentrationen entsteht. Dieser Vorgang hilft unserer Gesundheit, kann aber gefährlich werden, wenn er zu stark betrieben wird. In der Forschung wird schon lang ein Zusammenhang zwischen SCD1 und Entzündungen, Stoffwechselerkrankungen und Krebs gesehen. Da SCD1 aber in viele verschiedene Vorgänge im Körper involviert ist, würden Behandlungen, die SCD1 hemmen, zu starken Nebenwirkungen führen und sind zur Therapie nicht zugelassen.

Das Innsbrucker Team dröselte die Produkte des Enzyms nun genauer auf und entdeckte, dass ein bestimmtes Membranlipid (Fettstoff in der Zellhaut) die Stressreaktion der Zellen stark hemmt (Nature Communications). Das Membranlipid namens PI(18:1/18:1) setzt sich großteils aus einer Fettsäure zusammen, die das Enzym SCD1 produziert. Jetzt hoffen die Forschenden, dass dieses Lipid gezielter verabreicht oder ohne Nebenwirkungen im Körper gehemmt werden kann.

„Stress-assoziierte Vorgänge wie der Alterungsprozess, Resistenzen gegen Chemotherapie oder die Entstehung von Tumoren haben alle einen Einfluss auf die Menge von PI(18:1/18:1) in den betroffenen Geweben“, sagt Andreas Koeberle. (APA/vers)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2022)

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