Russland

Der Rabbiner, der Wladimir Putin die Stirn bietet

Pinchas Goldschmidt ist Oberrabbiner von Moskau. (Archivbild)
Pinchas Goldschmidt ist Oberrabbiner von Moskau. (Archivbild)REUTERS
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Pinchas Goldschmidt ging ins Exil nach Israel, weil er den Krieg des Kreml nicht unterstützen wollte.

Er hat das jüdische Leben in Russland maßgeblich mitgestaltet: Als Rabbi Pinchas Goldschmidt auf Einladung der Regierung nach Moskau zog, 1989, machte die Sowjetunion gerade ihre letzten Atemzüge. Zuletzt florierten die jüdischen Gemeinden im Land. Erst vergangenes Jahr sagte Goldschmidt der deutschen „Welt“: „Die einzigen Länder in Europa, in denen heute neue Synagogen gebaut werden, sind Russland und Deutschland.“

Doch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat auch die jüdische Gemeinschaft schwer getroffen. Rabbi Goldschmidt und seine Frau „wurden unter Druck gesetzt um die ,Spezialoperation‘ in der Ukraine zu unterstützten – sie haben sich geweigert“, schrieb nun die Schwiegertochter und Journalistin Avital Chizhik-Goldschmidt auf Twitter. Demnach hat das Paar Russland über Ungarn verlassen; die Trauer über das erzwungene Exil sei groß. Derzeit befindet sich der Rabbiner in Israel, wo sein betagter Vater lebt und von wo aus er seine Gemeinde betreuen möchte.

Denn erst vor wenigen Tagen wurde er in seinem Amt als Oberrabbiner von Moskau (seit 1993) für die nächsten sieben Jahre bestätigt. Der „Jerusalem Post“ zufolge haben rabbinische Autoritäten in Israel die Wiederwahl Goldschmidts urgiert. Schließlich habe Moskau versucht, an seiner statt einen regimefreundlichen Rabbiner zu installieren.

Mögliche Ausreisewelle

Der Druck des Kreml auf religiöse Führer, den Krieg zu rechtfertigen, ist stetig gestiegen. Das zeigt allein der Fall Kyrill I.: Der Patriarch hat sich nicht nur hinter Putin gestellt, sondern den Angriff gar mit religiösen Argumenten gutgeheißen. Mit Beginn des Kriegs haben sich mehrere Rabbiner in Russland Kreml-kritisch zu Wort gemeldet, selbst der Oberrabbiner von Russland, Berel Lazar, hat sich als Mediator angeboten, „um die Waffen und Bomben zu stoppen“. Lazar gilt als ausgesprochen Kreml-nah, er wird als „Putins Rabbi“ tituliert.

Öffentlich hat sich Goldschmidt in Russland nicht gegen den Krieg gestellt, aber in Interviews zwischen den Zeilen seine Bedenken geäußert. Im Hintergrund hat er sich mit Rabbinern der russischen Nachbarländer beraten, heißt es in israelischen Medien. Denn die jüdische Gemeinschaft in Russland bereitet sich auf eine Ausreisewelle vor: Dem Vernehmen nach will sich Goldschmidt gemeinsam mit polnischen Rabbinern um ausreisewillige Mitglieder der Gemeinde kümmern.

Der 58-jährige Goldschmidt wurde in Zürich geboren, ein Teil seiner Familie stammt aus Wien, die nach dem „Anschluss“ in die Schweiz geflohen ist. Seit mehr als zehn Jahren ist der siebenfache Vater auch Präsident der Europäischen Rabbinerkonferenz.

((duö))

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