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Shitstorm um "Outing" von Rebel Wilson

Rebel Wilson bei den Oscars.
Rebel Wilson bei den Oscars.(c) REUTERS / Danny Moloshok
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Ein Society-Reporter musste sich entschuldigen, weil er einen Star zu einem Coming-out genötigt haben soll. Geht das heutzutage überhaupt?

We're out and we're proud!“: So tönt ein Schlachtruf der Lesben- und Schwulenbewegung. Ein stolzes Signal, dass sich diese nicht vor der Normgesellschaft verstecken und die Öffentlichkeit nicht scheuen, sondern suchen wird – schambefreit und selbstbewusst.

Ob dieser Slogan bei der Wiener Regenbogenparade am Samstag wohl oft laut wurde? Eigentlich müsste er ja zum alten Eisen gehören. Schließlich halten weite Teile der westlichen Staatengemeinschaft große Stücke auf ihre vermeintlich selbstverständliche Toleranz gegenüber fast allen sexuellen Orientierungen: Ein Coming-out sollte gar nicht mehr nötig sein, weil es nichts zu verbergen gibt. Dass die Sache komplizierter ist, zeigte sich unlängst im Zuge eines Shitstürmchens in Australien: Ein Society-Reporter der Tageszeitung „Sydney Morning Herald“ monierte in seiner Kolumne, dass die Schauspielerin Rebel Wilson ihre Liaison mit einer Modedesignerin auf Instagram verkündigt hatte – und ihm somit die Gelegenheit geraubt habe, das selbst zu tun, obwohl er diesbezüglich vorab bei ihr angefragt hatte.

Das provozierte Empörung in den sozialen Medien: Dem Schreiber wurde vorgeworfen, Wilson zu einem Coming-out genötigt zu haben. In einem Tweet bedankte sich der Comedy-Star für die Unterstützung der Fans. Und bezeichnete die Situation als „sehr schwierig“. Die Kolumne wurde inzwischen entfernt. Ihr Autor hat sich entschuldigt und seinen Mailverkehr mit Wilsons Vertretern teilweise offengelegt. Seine Anfrage – er habe von seinen Quellen von der Beziehung erfahren, habe „genug Details, um zu publizieren“ und bitte „im Interesse von Transparenz und Fairness“ um einen Kommentar des Stars – klingt tatsächlich wie ein Ultimatum.

Keine Frage: Ob, wie und wann Menschen, auch berühmte, ihre Liebesbeziehungen publik machen, sollte idealiter ihnen selbst überlassen werden. Doch die Kontroverse trifft auch einen wunden Punkt der Entertainment-Branche, die sich seit geraumer Zeit als vollumfänglich weltoffen und inklusiv verkauft: Wie kann es sein, dass man eine im Westen prominente Person „im Jahr 2022“ – wie es im Netz oft entrüstet heißt – überhaupt auf nachteilige Weise outen kann? Liegen die Zeiten, in denen Hollywood-Größen wie Rock Hudson ihre Homosexualität aus Angst vor einem Karriereende oder Schlimmerem ein Leben lang im sprichwörtlichen „Closet“ deponieren mussten, nicht hinter uns? Ist die positive Resonanz auf das Coming-out eines Transgender-Vorreiters wie Elliot Page nicht ein Beleg für die Überwindung öffentlicher Ressentiments gegen Queerness?

Freilich: Die sexuelle Identität jedes Menschen ist – nicht nur, aber auch – Privatsache. Und die Konsequenzen ihrer öffentlichen Erörterung sind kontextabhängig. Niemand sollte dazu gedrängt werden. Wünschenswert ist dennoch eine Zukunft, in der Outings keine Aufregung mehr verursachen, weil die sexuelle Orientierung der Geouteten schlicht keine Rolle mehr spielt. Allein die Tatsache, dass das Outing-Konzept existiert, zeugt davon, wie weit wir noch von einer egalitären Welt entfernt sind.

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