Täuschung

Klitschko-Fake: Ruf nach Kontrolle

Der echte Vitali Klitschko am Sonntag in Kiew.
Der echte Vitali Klitschko am Sonntag in Kiew. APA/AFP/SERGEI SUPINSKY
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Nachdem Wiens Bürgermeister Ludwig und andere Rathaus-Chefs bei einer Videoschaltung auf einen „falschen“ Vitali Klitschko hereingefallen sind, soll es Konsequenzen geben.

Wien/Kiew. Es gab eine Videokonferenz – er war (vermeintlich) am Bildschirm zu sehen, Kiews Bürgermeister, der weltbekannte Ex-Profiboxer Vitali Klitschko. Doch nein – es war gar nicht der Rathaus-Chef der ukrainischen Hauptstadt, die zuletzt wieder verstärkt zum Ziel russischer Raketenangriffe wurde. Es handelte sich um einen Deepfake, also um eine computertechnisch bis ins Detail (Lippenbewegungen) manipulierte Posse, kurz gesagt: um einen Klitschko-Fake.

Nicht nur Wiens SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig, auch der Stadtchef von Madrid, José Luis Martínez-Almeida, die Bürgermeisterin von Berlin, Franziska Giffey, und der Budapester Amtsinhaber, Gergely Karacsony, sind darauf hereingefallen.

„Bei mehreren Bürgermeistern in Europa hat sich ein falscher Klitschko gemeldet, der absurde Dinge von sich gegeben hat“, sagte Klitschko am Samstag in Kiew in einem durch die „Bild-Zeitung“ verbreiteten Video. Dahinter stecke kriminelle Energie. Man müsse die Täter ausforschen.

Inwieweit durch die zum Teil vorzeitig abgebrochenen Gespräche (so wurde etwa Giffey misstrauisch und brach die Konferenz ab) heikle Informationen abgeflossen sind, wird nun international untersucht. In Österreich ermittelt die Staatsschutz-Direktion DSN, ob prorussische Kräfte hinter der Täuschung stecken. Deren Leiter Omar Haijawi-Pirchner: „In den letzten Wochen wurde durch aktive Öffentlichkeitsarbeit auf die Möglichkeit von Deepfakes hingewiesen.“

Kooperation gefordert

Seine Behörde stehe im Vorfeld den Politikern beratend zur Seite. „Die Voraussetzung dafür ist jedoch, dass man sich vor der Videokonferenz an den Staatsschutz wendet und kooperiert.“ Im Fall Ludwig/Klitschko gab es im Vorfeld keine Kontaktaufnahme mit dem Staatsschutz.

Indes ersucht nun das Außenministerium, Politiker, die mit ausländischen Kollegen per Telefon oder Videoschaltung Beratungen abhalten, sich im Voraus mit der jeweiligen Botschaft kurzzuschließen: „Um solche bedauerlichen Vorfälle künftig zu vermeiden, möchte das Außenministerium darauf hinweisen, dass die Koordination solcher Termine über die zuständige Botschaft erfolgen soll.“

Bei der Planung von Ludwigs Gespräch mit dem Kiewer Bürgermeister seien weder das Außenministerium noch die österreichische Botschaft in Kiew involviert gewesen. Der Botschafter sei lediglich vom Büro des Wiener Bürgermeisters am 10. Juni über das durch die Stadt Wien bereits vereinbarte Gespräch in Kenntnis gesetzt worden. „Es war auch kein Mitarbeiter des Außenministeriums oder der Botschaft persönlich oder virtuell anwesend“, hieß es weiter. Die Botschaft in Kiew konnte erst am Samstag feststellen, dass Michael Ludwig vorigen Mittwoch nicht mit dem wahren Klitschko gesprochen hatte.

Das Innenressort in Wien beklagte am Sonntag, dass bislang vom Büro des Wiener Bürgermeisters kaum Informationen an die DSN übermittelt worden seien. So sei für eine rasche Verfolgung wichtig, dass Wien das Gesprächsprotokoll der Videokonferenz liefere. Im Rathaus teilte man mit, dass alles unternommen werde, um eine Aufklärung sicherzustellen: „Die Stadt Wien wird auch engstens mit dem Ermittlungsbehörden kooperieren.“ So wie man das immer tue. (m. s./APA)

Reaktion

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) sieht Deepfakes als „Gefahr für unsere Demokratie und unsere rechtsstaatlichen Werte“. Und ersucht SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig um engere Kooperation mit dem Staatsschutz (DSN) – „sodass die Ermittlungen rasch, zielgerichtet und international geführt werden können“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2022)

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