Lueger-Platz: „Mahnort gegen Antisemitismus“

Die Umrisslinien von "Lueger-Objekten" werden ab Herbst den Lueger-Platz umspannen.
Die Umrisslinien von "Lueger-Objekten" werden ab Herbst den Lueger-Platz umspannen.Six, Petritsch, Lueger Temporär, KÖR, 2022
  • Drucken

Vor dem umstrittenen Lueger-Denkmal in der Wiener Innenstadt wird im Herbst eine temporäre Groß-Installation aus Holz errichtet. Eine permanente künstlerische Kontextualisierung soll erst im Herbst 2023 folgen.

Wie soll es mit dem umstrittenen Denkmal des früheren Wiener Bürgermeisters Karl Lueger (1844-1910) weitergehen – jenes Politikers, der als Gründer der Christlichsozialen Partei die Donaumetropole mitentwickelt und modernisiert hat? Zugleich jenes Mannes, der durch seinen populistischen Antisemitismus den Nationalsozialismus förderte? Soviel steht fest: Die Lueger-Statue wird nicht entfernt. Sondern in einen künstlerischen Kontext gestellt.

Ab Herbst wird eine temporären Installation errichtet („Lueger temporär“). Gestaltet wurde sie von Nicole Six und Paul Petritsch. Seit 1997 realisieren die beiden Kunstschaffenden orts- und kontextspezifische Projekte im öffentlichen Raum.

„Nicht in ein Depot“

„Die temporäre Installation ist ein wichtiger Schritt den Platz als lebendigen Mahn- und Lernort gegen Antisemitismus und politischen Populismus zu gestalten“, meinte am Mittwoch Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler. Würde das Denkmal in einem Depot oder Museum verschwinden, so würde man künftig nur noch „einen kleinen Teil der Gesellschaft erreichen“. Und: „Man muss Erbe auch als das begreifen, was einen Stachel in unserem Fleisch darstellt. Wenn man alles wegräumt, was einen stört, haben wir eine antiseptische, eine geschichtslose Stadt.“

Die Installation selbst ist nicht unkompliziert. Sie zeigt Umrisse und Silhouetten von 15 Bauwerken und Objekten, die mit dem von 1897 bis 1910 amtierenden Stadt-Oberhaupt in Verbindung stehen. Sie kann als Lagerstätte diverser Artefakte gesehen werden, die Assoziationen zu Lueger wecken. So findet man Linien des Lueger-Hofs im 15. Bezirk, solche von der Borromäus-Kirche in Simmering (vormals Luegerkirche), von einem Brunnen im 13. Bezirk oder etwa von Porträt-Reliefs und Gedenktafeln. Im Maßstab von 1:1 lehnen die Schablonen ungeordnet da, um das Publikum dazu aufzufordern, eine Zuordnung vorzunehmen. Um den Leuten die Idee der Installation näherzubringen, wird es eine Art Gebrauchsanleitung geben, die man vor Ort lesen kann.

Die Maße des Kunstwerks sind beachtlich. Es wird praktisch der gesamte Lueger-Platz (das Areal liegt am Stubenring bzw. an der Dominikanerbastei) umspannt. Die Konstruktion ist aus – teils grell lackiertem – Holz. Sie ist 25 Meter lang und am höchsten Punkt 13 Meter hoch. Die Kosten für den Entwurf und die Errichtung liegen laut Stadt Wien bei 100.000 Euro.

Auch der Vorsteher des ersten Bezirks, Markus Figl (ÖVP), will keine Entfernung der späthistoristischen Bronze-Statue, deren Steinsockel wiederholt mit den Worten „Schande“ beschmiert wurde: „Die Entsorgung des Lueger-Denkmals ist das falsche Signal, denn unsere Vergangenheit soll nicht ausgelöscht werden, wir müssen uns ihr stellen. Es geht um eine Erinnerungskultur, deren Teil Straßennamen und Denkmäler sind. Daher bin ich gegen Cancel-Culture und für offenen Diskurs.“

Nicole Six und Paul Petritsch erklären zu ihrer Installation, deren genaues Errichtungs-Datum noch nicht feststeht (von September ist die Rede): „Wir zeigen, dass Karl Lueger in die Stadt auf unterschiedlichen Ebenen eingeschrieben ist. Und schaffen ein begeh- und benutzbares Display für die Öffentlichkeit.“ Die Frage sei, „wie wir als Gesellschaft mit unserem ,Dark Heritage‘ umgehen“.

Indes wandte die kuratorische Leiterin der Institution Kunst im öffentlichen Raum (KÖR), Cornelia Offergeld, ein: „Jede Stadt hat ein Gedächtnis. Kunst schreibt sich mit ihrem widerständigen Potenzial in dieses Gedächtnis ein.“

Auch bei der ab Herbst zu sehenden Installation wird es freilich auf das Gedächtnis ankommen, zumal es sich eben um ein nur für ein Jahr vorgesehenes Projekt handelt. Eine Prolongierung kann ausgeschlossen werden. Im Herbst soll es einen Wettbewerb mit 15 geladenen Künstlerinnen und Künstlern zur permanenten Kontextualisierung geben. Ein Budget von (weiteren) 500.000 Euro steht zur Verfügung.

Kommission und Jury

Eine wissenschaftliche Kommission soll die inhaltlichen Bedingungen erarbeiten. Die Historikerin Heidemarie Uhl führt den Vorsitz. Zu den Kommissionsmitgliedern zählt auch der Zeithistoriker Oliver Rathkolb. Das Siegerprojekt soll im Frühjahr 2023 von einer internationalen Jury präsentiert werden. Im Herbst 2023 soll dann die dauerhafte Kontextualisierung des Lueger-Denkmals aufgebaut werden.

Zuletzt hatte die Internationale Liga gegen Rassismus und Antisemitismus in Österreich (Licra) in Person von Co-Präsident Benjamin Kaufmann eine Entfernung des Denkmals und Neuaufstellung im musealen Kontext gefordert. Zuvor hatte es auch einen Offenen Brief namhafter Holocaustüberlebender wie Nobelpreisträger Eric Kandel und Schriftsteller Georg Stefan Troller gegeben, in dem eine Entfernung gefordert wurde, die Wiener Grünen hatten sich der Forderung angeschlossen.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.