Popkritik

Am Schluss doch noch Ekstase: Alt-J in Stadlau

Chérie Hansson
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Das britische Trio Alt-J baute in der Metastadt in Wien 22 seine kunstvollen Songs vor begeistertem Publikum.

Mit welchem Song stimmt man Besucher auf ein Konzert ein? Üblicherweise sucht die Band selbst aus, was gespielt wird, ehe sie Bühne betritt. Die Wahl des britischen Trios Alt-J am Samstagabend in der Wiener Metastadt erstaunte: das hypernervöse „Hey Boy Hey Girl“ vom Electronica-Duo Chemical Brothers. Ist das die Messlatte, die sich Alt-J selbst auferlegen? Fürs ekstatische Gliedmaßenschütteln scheinen sie nicht die richtigen. Freilich kann man auch zu ihrer Musik tanzen, aber langsam. Sie selbst bewegten sich kaum, redeten wenig mit dem Publikum, ließen stattdessen die Visuals auf dem gigantischen Bildschirm hinter sich sprechen.

(c) Chérie Hansson

So flammten auch Kerzen, nicht Discolichter hinter Schlagzeuger Thom Green, Keyboarder Gus Unger-Hamilton und Sänger und Gitarrist Joe Newman auf, als sie das Konzert mit „Bane“ eröffneten, der ersten Nummer vom herrlichen gelassenen aktuellen Album „The Dream“. Visuell fiel live auf, dass Alt-J keinen Bassisten haben (ab und zu schnallt sich Unger-Hamilton einen Bass um), akustisch nicht. Ihr Sound funktioniert anders: Geduldig bauen sie sie Schicht um Schicht auf. Bei „Bane“ etwa gibt die Gitarre die Richtung vor, der Gesang (leichte Schwächen bei Newman) mehrstimmig, darüber legen sich dräuende Keyboards und nuancierte Drums. Wie Alt-J-Songs sich abheben, führten parodistisch wie treffend zwei Musiker 2015 in einem viral gegangenen Youtube-Video vor („How to write an Alt-J song“).

Lied über Kryptowährung

Live stellte man fest: Die Lieder könnten länger sein. Kaum steht das Song-Kunstwerk, wird es wieder eingerissen. Schade, denn sie können einen so schön in Trance versetzen, was vor allem am Ende des Konzerts fühlbar wurde. Mit „Fitzpleasure“ feierten Alt-J das zehnjährige Jubiläum ihres Debütalbums „An Awesome Wave“ (2012) – samt Stroboskoplichtern. Als Zugabe dann leich dreimal Eingängiges, Mitsingbares: „Left Hand Free“ erinnert an 70er-Jahre-Rock, in „Hard Drive Gold“ beschäftigt sich die Band sehr eingängig mit Kryptowährung („Don't be afraid to make money, boy“). Das finale „Breezeblocks“ wirkt wie ein Liebeslied, ist aber toxisch („Please don't go, I'll eat you whole, I love you so“). Mit diesem Finale bekamen die begeisterten Besucher in der gut gefüllten Metastadt in Stadlau, die sich als neue Open-Air-Location etablieren will, doch noch, was Alt-J mit den Chemical Brothers versprochen hatten: Ekstase, gepflegte zumindest.

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