Quergeschrieben

Das Coronapanikorchester spielt wieder seine Evergreens

Warum gilt in Österreich als sträflicher Leichtsinn, was in anderen Ländern seit Monaten klaglos funktioniert?

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Die Schweizer sind, wie so oft, zu beneiden. Mit 1. April wurden bei den Nachbarn sämtliche landesweiten Coronamaßnahmen beendet. Maskenpflicht gibt es seither keine mehr – auch nicht im Fall eines positiven Tests. Wer sich krank fühlt, möge zu Hause bleiben, empfiehlt das Bundesamt für Gesundheit. Alle anderen können tun, was sie wollen. Die Zahl der Neuinfektionen wird nur noch einmal wöchentlich bekannt gegeben. Das tägliche Hochamt vor dem Corona-Dashboard fällt als gesellschaftliches Ereignis damit aus. In Schweizer Medien muss man Berichte über die Pandemie derzeit aktiv suchen, in die Schlagzeilen schafft es das Virus nur noch selten.

Österreichs Regierung berief sich unter anderem auf das Vorbild Schweiz, als sie die Abschaffung der Isolationspflicht für positiv Getestete bekannt gab. „Nirgendwo sind die Leute in Scharen gestorben“, sagte der Gesundheitsminister zutreffend, aber etwas flapsig in einem Interview mit dieser Zeitung. Allerdings ging Türkis-Grün nicht annähernd so konsequent vor wie der Bundesrat in Bern. Die neue Coronaverordnung ist genau der Murks, der herauskommt, wenn man etwas gern möchte, sich aber nicht wirklich traut: Wer infiziert ist, darf seit heute zwar aus dem Haus, muss aber am Arbeitsplatz, im Schwimmbad oder Restaurant pausenlos Maske tragen. Das wird natürlich nicht funktionieren. Außerdem führt es in der Konsequenz dazu, dass exakt jene Personengruppe wieder einmal krass benachteiligt wird, der das Virus mit Abstand am wenigsten anhaben kann. Positiv getestete Kinder dürfen nicht in den Kindergarten oder in die Volksschule, die erwachsenen Pädagogen aber sehr wohl. Viel absurder geht es kaum, würde ich sagen.

Wie die Dinge liegen, muss man der Regierung trotzdem zu ihrem Mut gratulieren. Coronamaßnahmen zu lockern oder gar abzuschaffen, gilt weiten Teilen der veröffentlichten Meinung nach wie vor als unverantwortlicher Leichtsinn. Sobald auch nur der Plan für eine solche Schandtat ruchbar wird, nimmt das Panikorchester Aufstellung und gibt seine Evergreens zum Besten: Die Politik kapituliere vor der Wirtschaft und den Meinungsumfragen, heißt es dann. Eigenverantwortung sei in Österreich kein taugliches Konzept. Ausgerechnet jetzt sende eine Lockerung das völlig falsche Signal.

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