Jagd

Ein Nimrod auf dem Herrscherthron

Franz Josephs Jagdleidenschaft war exzessiv, jene Franz Ferdinands eindeutig pathologisch.

„Die kolportierte Passion, das edle Weidwerk in Schießerei ausarten zu lassen, beruht, was seine Majestät betrifft, nicht auf Wahrheit.“ Nun, was wird Franz Josephs treuer Kammerdiener Eugen Ketterl wohl anderes sagen? Ob's stimmt?

Man kennt die meist arrangierten Fotos des alten Kaisers mit der Büchse in Händen. Dass er wirklich so ein ausgezeichneter Schütze war, wie allseits behauptet, mag seine Richtigkeit haben. Freilich machte sich niemand, auch der Herrscher nicht, etwas vor: Hunderte Treiber waren um gutes Geld am Werk, um dem leidenschaftlichen Jäger die besten „Stücke“ vor die Flinte zu stellen. Der Monarch erlegte in seinem siebzig Jahre dauernden Jägerleben 55.000 Stück Wild, dazu unzählige Auerhähne, Birkhähne, Rebhühner, Wachteln, Schnepfen, Enten.

Man mag darüber heutzutage den Kopf schütteln, doch die Zeiten waren anders. Pathologisch hingegen war zweifellos die Schießwütigkeit seines Neffen Franz Ferdinand, die viel über den Charakter dieses seltsamen Habsburgers aussagt: In nur 51 Lebensjahren erschoss er wie im Rausch 280.000 Stück Wild. Sarajewo 1914 setzte dem ein Ende.

Die Autoren des vorliegenden, soeben erschienenen Buches, das überreich illustriert ist, sind nicht nur renommierte Meister ihres Faches, sondern erweisen sich auch als amüsante Erzähler. So kam es 1888 zu einem pikanten Zwischenfall, als Kronprinz Rudolf bei der Jagd verbotenerweise seinen Stand verließ und in Richtung seines kaiserlichen Vaters schoss, den er nur um Haaresbreite verfehlte. Die Kugel traf den Ellbogen des Büchsenspanners Veitegger, dem der Kaiser fünfzig Gulden Schmerzensgeld gab. Ein Attentat? Jedenfalls hat das Rudolfs Enkel Franz-Josef Windisch-Graetz einmal gemunkelt.

Braten als Hauptgericht

Der adeligen Jagd in all ihren Ausprägungen, den Schlössern und Jagdhütten, den Sitten und Gebräuchen dieser Passion ist dieses Werk gewidmet. Auch den darauf folgenden leiblichen Genüssen. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts finden sich vermehrt Kochbücher, Kochrezepte für hochadelige Haushalte. Nicht nur das Tranchieren will erlernt sein, auch bereits das Kochen mit Dampf. Franz Joseph, bekanntlich ein recht mäßiger Esser, verschenkte gern selbst erlegtes Wildbret.

Auf der kaiserlichen Tafel war Braten als Hauptgericht selbstverständlich. Davon künden die täglich gedruckten Menükarten ab 1850 − auf Französisch, versteht sich. Dieser Eleganz ging ein komplizierter Vorgang voraus, denn der Kaiser strich und redigierte die Menüfolge mit Bleistift. „Rehlendenbraten mit Johannisbeersauce“ lesen wir etwa am 1. Mai 1873 − ein denkwürdiges Datum: Galadiner nach Eröffnung der Weltausstellung im Prater. 180 Personen sind geladen, die Tafel biegt sich im Zeremoniensaal der Hofburg.

Am 23. März 1919 ist die Pracht zu Ende. Franz Josephs Nachfolger auf dem Thron, Karl, ist endlich bereit, Österreich zu verlassen und ins Exil zu gehen. Der einzig verbliebene Hofkoch, Rudolf Munsch, bereitet das Abschiedsessen vor: Klare Suppe mit Frittaten, Filets von verschiedenem Wild, Gemüse, Weichselschnitten. Am Abend besteigt die Familie Habsburg in Kopfstetten den Separatzug, der sie in die Schweiz bringt. 2004 wird der Ex-Monarch, der am 1. April 1922 auf Madeira starb, in Rom seliggesprochen.

Hannes Etzlstorfer,
Lelio Colloredo-Mannsfeld
Die kaiserliche Jagd

Kral Verlag
228 Seiten, 34,90 €

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2022)

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