Geschichte

Der vergessene Tatort mitten in Graz

Ein britisches Militärgericht ahndete im Herbst 1947 die Verbrechen im Lager Liebenau.
Ein britisches Militärgericht ahndete im Herbst 1947 die Verbrechen im Lager Liebenau. [ UMJ ]
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Im Herbst 1947 wurde den Verantwortlichen für die Erschießungen im Lager Liebenau der Prozess gemacht. 75 Jahre später thematisiert eine Tagung den „Holocaust vor der Haustür“. Dabei sprechen erstmals Nachkommen der Täter.

Das Schweigen wurde nur unter den Geschwistern gebrochen. „Unsere Mutter hat nie mit uns darüber geredet“, erzählt Heidemarie Pekler. „Als sie vor 32 Jahren verstarb, hat mich eine Jugendfreundin angesprochen und erzählt, dass ihre Mutter Zeitungsausschnitte des Liebenauer Prozesses aufbehalten hat. Da haben wir erst erfahren, was mein Vater wirklich getan hat“, sagt Pekler.

Ihr Vater, Nikolaus Pichler, war Leiter des Lagers in Graz-Liebenau. Als solcher gab er im April 1945, als hier Tausende ungarische Jüdinnen und Juden auf dem Weg zum KZ Mauthausen untergebracht wurden, Erschießungsbefehle. Zumindest zwei Menschen soll er selbst erschossen haben. Ein Schock für die Frau. „Es war furchtbar, das zu erfahren.“ Als Kind habe sie stets gespürt, dass darüber niemand reden wollte. Peklers Vater war 1947 vor einem britischen Militärgericht zum Tode verurteilt worden. „Wir wussten zwar, der Vater ist gestorben, aber es hat kein Grab gegeben.“


Die heute 80-Jährige ist eine der Rednerinnen der Tagung „Der Holocaust vor der Haustür“, die das Ludwig-Boltzmann-Institut für Kriegsfolgenforschung (BIK) sowie die Universitäten Graz und Wien am kommenden Montag veranstalten (siehe Infobox). „75 Jahre später beschäftigt die Auseinandersetzung nicht nur die Wissenschaft, sondern auch die nachfolgenden Generationen von Opfern und Tätern. Erstmals sprechen Nachkommen der zum Tode verurteilten Täter über die Auseinandersetzung im Familiengedächtnis und die Bedeutung für ihre eigene Biografie“, schildert Barbara Stelzl-Marx, Leiterin des BIK und Professorin für Zeitgeschichte an der Uni Graz.

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