Interview

Anton Mattle: „Gehe davon aus, dass die Wintersaison wie geplant startet“

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Der Wirtschaftslandesrat und künftige Landeshauptmann von Tirol, Anton Mattle, sagt, dass die Tourismusbetreiber heuer besonders auf Nachhaltigkeit und Sparsamkeit achten, damit Skifahren leistbar bleibt. Sportwochen und Skikurse will er gezielt fördern.

Die Presse: Herr Mattle, die ÖVP hat 9,5 Prozentpunkte verloren, aber dennoch als Erster den Auftrag erhalten, das Land durch die aktuell heftigste Wirtschaftskrise der letzten Jahrzehnte zu steuern. Wie wollen Sie die abgewanderten Menschen wieder für die Tiroler ÖVP und Ihre Politik begeistern?

Anton Mattle: Für mich war es erfreulich, dass das Wahlergebnis im Endeffekt deutlich besser war als die Umfragen. Dennoch ist das Ergebnis für mich vor allem Auftrag, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen – mit ehrlicher, harter Arbeit und mit einer geradlinigen Politik. Die Volkspartei hat immerhin nach wie vor doppelt so viele Mandate wie der Zweit- oder Drittplatzierte, daraus ergibt sich der klare Wählerauftrag zur Regierungsbildung.


Wie werden sie die kommenden fünf Jahre gestalten. Welche drei Themen sind für Sie, unabhängig mit welcher Partei Sie koalieren, am wichtigsten, die Themen, die Sie umsetzen wollen, die Ihre ersten fünf Jahre prägen werden?

Mein Herzensanliegen ist die Energiewende und der Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas. Nur mit einer Sanierungsoffensive bei Gebäuden, einer Photovoltaik-Offensive und dem konsequenten Ausbau der Wasserkraft können wir unsere Abhängigkeit von Oligarchen und Scheichs beenden. Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die beste Betreuung für alle Tirolerinnen und Tiroler. Das fängt bei den Kleinsten an, mit dem Recht auf einen Kinderbetreuungsplatz und gilt natürlich auch für die beste Pflege und Betreuung im Alter, für die Menschen, die unser Land aufgebaut haben.

Impressum

Dieses Interview erscheint im Rahmen von „Austria's Leading Companies“. Die Beilage wird von der „Presse“-Redaktion in voller Unabhängigkeit gestaltet und erscheint in Kooperation mit dem KSV1870 und PwC Österreich. ALC wird unterstützt von A1, Casinos Austria, Commerzbank, DONAU Versicherung und Wiener Städtische Versicherungsverein, Škoda, TÜV AUSTRIA sowie Zero Project.

Redaktion: Hans Pleininger, hans.pleininger@diepresse.com 
Autoren: Christian Scherl, Matthias Auer
Grafik: Martin Misarz
Infografik: Gregor Käfer
Content Management: Isabella Karner


Die explodierenden Energiekosten setzen den Menschen aktuell am meisten zu. Wie kann und soll der Wirtschaft und den Menschen schnell geholfen werden. Wie wird und kann das Land Tirol unterstützen, was fordern Sie von Bund und EU ein?

Das Land Tirol hat mit dem erweiterten Bezieher- und Bezieherinnen-Kreis für den Heizkosten- bzw. Energiekostenzuschuss und der deutlichen Anhebung der Schulstartbeihilfe schon vorgelegt, und auch die Strompreisbremse des Bundes wird greifen. Schon jetzt haben die Bestandskunden der TIWAG – das sind rund 70 Prozent aller Tirolerinnen und Tiroler – den günstigsten Stromtarif Österreichs. Für die Wirtschaft bringt der Energiekostenzuschuss die dringend benötigte Entlastung. Auf europäischer Ebene wäre es wichtig, dass der Gaspreis gedeckelt wird und der Strom- vom Gaspreis entkoppelt wird.


Die Politik redet von Hilfspaketen, die dann nicht oder verspätet kommen. Dann wird mit der Gießkanne mit Einmalzahlungen geworben. Warum traut man sich nicht die Mehrwertsteuer zu senken oder für wichtige Grundnahrungsmittel – du Bedürfnisse kurzfristig auf null zu setzen. Das hilft jedem und sofort. Würden Sie sich für so eine Mehrwertsteuersenkung einsetzen?

Ich bin dafür, gezielt dort zu helfen, wo Hilfe gebraucht wird. Auch Ökonomen stehen pauschalen Steuersenkungen skeptisch gegenüber, weil sie wenig treffsicher sind. Zudem wissen wir aus Untersuchungen, dass solche Steuersenkungen nur teilweise bei den Konsumentinnen und Konsumenten ankommen.


Ist es schlau, in einer Zeit der höchsten Belastungen, die seit ein paar Tagen neue CO2-Steuer einzuheben. Hätte man damit nicht noch zuwarten können? Warum ist Ihre Bundes-ÖVP bei diesem Thema gegenüber den Grünen eingeknickt?

Als Ausgleich dafür wird bereits seit Ende August der Klimabonus ausgezahlt. Die 500 Euro pro Erwachsenen und 250 Euro für Kinder bringen für viele Haushalte eine dringend notwendige Entlastung. Aber ja, den Zeitpunkt für die Einführung halte ich nicht für ideal. Das habe ich in den letzten Wochen bereits deutlich artikuliert.


Wie sollte eine finanzielle Unterstützung der Unternehmen ausgestaltet sein, um die exorbitanten Strom- und Gaskosten abzufedern?

Der Bund hat mit dem Energiekostenzuschuss für Betriebe bereits einen ersten wichtigen Schritt gesetzt. Weitere müssen folgen. Mittelfristig gilt es, alles zu tun, um die Energieabhängigkeit zu reduzieren und damit Geld, das derzeit für den Import von fossilen Energieträgern in Milliardenhöhe ins Ausland abfließt, in Österreich zu halten. Dafür braucht es natürlich auch massive Investitionspakete für den Ausbau der Erneuerbaren.


Tirol hat viel Wasserkraft – aber keine Windräder. Warum nützt man nicht den Föhn? Der bläst oft und gratis?

Der Föhn ist kein geeigneter Wind für Windräder, er weht extrem böig und nicht beständig und vergleichsweise selten. Bei der erneuerbaren Energie darf man die Topographie eines Landes nicht außer Acht lassen. Während sich das Burgenland zum Beispiel schlecht für Pumpspeicherkraftwerke eignet, ist das Potenzial für Windkraft in Tirol laut Untersuchungen gering. Nichtsdestotrotz bin ich technologieoffen. Dort, wo es passt, kann ich mir durchaus auch Windkraft in Tirol vorstellen.


Warum sperrte sich Tirol bislang gegen Windräder? Ist die Tourismuslobby zu stark? Oder ist das Aufstellen im alpinen Gelände nicht so einfach? Wobei Gipfelkreuze schaffen es auch auf jede Bergspitze ...

In Tirol wären wir bei der Windkraft bereits viel weiter, wenn wir die Emotionen aus der Diskussion herausnehmen würden. Gipfel und Grate sind schlichtweg nicht der ideale Standort für Windräder, unter anderem wegen des schwierigen Antransports. Deshalb macht es keinen Sinn darüber zu diskutieren ob ein Windrad auf eine Bergspitze kommt. Zwischen einem Gipfelkreuz und einer Windkraftanlage gibt es außerdem doch einen gewissen Unterschied. Aber wie gesagt, ich bin technologieoffen was Windkraft betrifft, da, wo es ins Landschaftsbild passt, technisch realisierbar und wirtschaftlich sinnvoll ist. Was ich hier schon anmerken muss, ist, dass wir in Tirol unser Bestes getan haben, damit Stauseen zu attraktiven Ausflugszielen geworden sind, von Windrädern habe ich das noch nie gehört.


Zum Tourismus, der in Tirol eine besondere Bedeutung hat: Wie wird das Skifahren heuer ausschauen – im Zuge der exorbitanten Energiekosten?

Die Wirtschaft in Tirol ist ein sehr guter Branchenmix – wir haben eine starke Industrie, florierendes Gewerbe und Handwerk und natürlich zahlreiche Dienstleister. Der Tourismus ist ein wesentlicher Wertschöpfungsfaktor in Tirol, tausende Arbeitsplätze in unserem Land hängen direkt oder indirekt mit dem Tourismus zusammen. Aber natürlich werden die Betreiber heuer ganz besonders auf Nachhaltigkeit und Sparsamkeit achten. Nur als Beispiel: pro Skifahrer werden am Tag etwa 18 Kilowattstunden Energie verbraucht – für Seilbahnen, Beschneiung, Pistenpräparierung, Gastronomie, Heizung und Infrastruktur. Wenn jemand von Österreich nach Mallorca fliegt, könnte der- oder diejenige für denselben Energieaufwand einen Monat lang jeden Tag Ski fahren gehen.

Rechnen Sie damit, dass einige Skigebiete, vor allem kleinere, heuer später mit den Openings starten oder gar nicht aufsperren? Oder wird das Land Zuschüsse geben?

Ich gehe davon aus, dass die Wintersaison wie geplant starten wird.


Was machen Sie, wenn die Umweltministerin / die Bundesregierung heuer den Einsatz von Schneekanonen verbietet – oder Hilfen nur zusagt, wenn man keine Schneekanonen verwendet, so wie mit dem Heizschwammerlverbot in der Gastronomie. Ist das für Sie überhaupt vorstellbar, ein Skigebiet ohne Schneekanonen zu betreiben?

Auch die Seilbahnen haben bereits angekündigt, dass sie Energie einsparen werden. Und man darf nicht vergessen, dass der gesamte Strombedarf aller Seilbahnen in ganz Österreich lediglich 1,2 Prozent des gesamten heimischen Energieverbrauchs ausmacht, Beschneiung inklusive. Das ist weniger Strom als zum Beispiel durch den Standby-Modus von Geräten der Österreicherinnen und Österreicher verbraucht wird.


Tirol hat auch fünf Gletscherskigebiete – die durch den Klimawandel besonders leiden. Aber falls die Schneekanonen andernorts stillstehen müssen, könnte der Gletscher noch attraktiver werden. Will man das überhaupt? Noch mehr Massentourismus am Gletscher?

Manchen Ausformungen, wie beispielsweise dem Sommerskilauf am Gletscher, habe ich bereits eine klare Absage erteilt. Aber auch im Winter wird eine Nutzung über die Kapazitätsgrenzen hinaus nicht möglich sein.


Werden Sie beim Skiwinter mit all seinen Energieproblemen einen Schulterschluss mit Ihren Nachbarbundesländern suchen, die ja genauso betroffen sind?

Ein enger Austausch zwischen den Ländern und mit dem Bund ist mir sehr wichtig. Das hat bereits in der Vergangenheit gut funktioniert und wird auch in Zukunft so sein.


Die hohen Energiepreise werden nicht von heute auf morgen wieder verschwinden. Müssen wir uns à la longue auf 100 Euro für eine Skitageskarte einstellen? Am Arlberg kostet die Tageskarte aktuell 67 Euro, in Sölden 63 Euro. Das ist zwar noch ein Stück hin auf 100. Aber die Energiepreise haben sich auch schon verfünffacht, was sich auch niemand vorstellen konnte.

Die Rückmeldungen der vergangenen Tage zeigen, dass die Tiroler Skiliftbetreiber sehr bemüht sind, die Preissteigerungen im Rahmen zu halten, was angesichts der Energiepreise nicht einfach ist. Es ist mir wichtig, dass Skifahren – besonders auch für die einheimische Bevölkerung – nicht unerschwinglich wird. Deshalb versuchen wir seitens des Landes auch mit gezielten Förderungen für Wintersportwochen und Skikurse zu unterstützen.


Ist der Wintertourismus generell in Gefahr? Viele Gastro- und Beherbergungsbetriebe finden schon lang nicht mehr ausreichend Personal. Touristiker reagieren mit mehr Schließtagen aufs fehlende Personal. Was läuft da schief? Wo müsste Ihrer Meinung nach angesetzt werden?

Auch wenn der Tourismus besonders betroffen ist, haben wir mittlerweile in nahezu allen Branchen einen eklatanten Arbeitskräftemangel. Aufgrund der demografischen Entwicklung ist hier in naher Zukunft keine Trendwende in Sicht. Um dem Mangel entgegenzuwirken, braucht es deshalb mehrere Maßnahmen. Erstens einen weiteren Ausbau der Kinderbetreuung, um die Teilzeitquote zu reduzieren. Zweitens mehr Leistungsanreize für jene, die über das normale Maß hinaus arbeiten wollen und drittens qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland. Nur so werden wir unser Wohlstandsniveau halten können.


Zu allem Übel zieht jetzt wieder der Corona-Herbst herein, mit steigenden Zahlen. Glauben Sie, könnte es wieder ein Skifahrwinter nur für die Tiroler werden – weil die ausländischen Gäste ausbleiben?

Nein. In Anbetracht der mittlerweile hohen Immunisierungsrate gehe ich nicht von derartigen Einschränkungen aus.


Wie sollte man der Covid-Krankheit heuer begegnen – und sich wappnen? Sollen wir sie wie eine Grippe behandeln? Oder wieder rigide zusperren und auf Quarantäne setzen?

Wir müssen lernen, mit diesem Virus zu leben. Ich zum Beispiel habe mich gerade letzte Woche mit einer Auffrischungsimpfung für den kommenden Winter gewappnet. Die Entscheidung muss aber jeder für sich selbst treffen.


Wir haben bereits drei belastende Jahre Intensiv-Corona hinter uns und jetzt eine Wirtschafts- und Energiekrise, so vehement wie sie viele Menschen noch nicht kannten. Diese zwei Themen „fressen“ fast alles andere auf. Kein Mensch redet zum Beispiel mehr vom Tiroler Transit. Hat sich der Transit in Luft aufgelöst? Aus den Augen, aus dem Sinn?

Das Transitverkehrsproblem besteht natürlich weiterhin. Deshalb wird meine Landesregierung das auch offensiv angehen. Klar ist aber auch, dass wir die Zahl der Transit-Lkws nur gemeinsam mit unseren Nachbarn reduzieren können. Zuversichtlich stimmt mich, dass in Bayern mittlerweile ein Umdenken eingesetzt hat und es Zustimmung zu einer grenzüberschreitenden Korridormaut gibt. Solange es keine Transitreduktion gibt, sind die Tiroler Notmaßnahmen wie Blockabfertigungen und Abfahrverbote aber weiterhin alternativlos.


Eigentlich müsste man die Inntalautobahn auf jeder Seite um eine Fahrspur ausbauen, weil den durchgängigen Lufthunderter kann man unter der Woche praktisch sowieso nicht fahren, weil man sich an der LKW-Spur quasi links „vorbei staut“. Wie kann man das Problem in den Griff bekommen? Mit dem Ausbau der Inntalautobahn? Weniger Autos werden es eher nicht.

Der Ausbau der Straße ist keine Lösung, auch wenn Verkehr heute schadstoffärmer ist als früher. Die gesamten Alpenstrecke von Rosenheim bis Verona ist zweispurig, und niemand entlang dieser Route – weder wir in Tirol, noch die Menschen in Deutschland oder Italien - wollen mehr Verkehr. Wir müssen stattdessen alles daransetzen, den Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern. Der Bau des Brennerbasistunnels, und einerseits die Zulaufstrecken dafür sowie andererseits funktionierende Terminals, das ist das Kernstück dieser Strategie. Parallel dazu müssen wir auch den öffentlichen Personennahverkehr stärken, um eine attraktive Alternative zum Auto zu schaffen. Wenn ich mir die Tiroler Fahrgastzahlen anschauen, dann sind wir hier auf dem richtigen Weg.

Zur Person

Anton Mattle (ÖVP) wird im kommenden Jahr 60 Jahre alt. Mehr als die Hälfte seiner bisherigen Zeit hat der aus dem Paznaun stammende Oberländer der Kommunalpolitik gewidmet. Schon mit 23 Jahren wurde Mattle in seinem Heimatdorf Galtür Vizebürgermeister. 1992 wurde er zum Bürgermeister gewählt - ein Amt, das er bis Anfang des vorigen Jahres ausübte. Mit Mai 2021 wurde Mattle als Wirtschaftsreferent in die Tiroler Landesregierung geholt.

Ab 2003 war Mattle neben seinem Bürgermeister-Job auch durchgehend Abgeordneter zum Tiroler Landtag und ab 2013 auch 1. Vizepräsident des Tiroler Landtages.

Nachdem Günther Platter seine Rücktrittsabsichten als Tiroler Landeshauptmann bekannt gab, führte Mattle die Tiroler Volkspartei als Spitzenkandidat in die Ende September geschlagene Landtagswahl bei der seine Liste knapp 35 Prozent der Wählerstimmen errang.
Als Stimmenstärkster der Landtagswahl befindet sich Anton Mattle gerade in Verhandlungen für die nächste Regierung.

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