Theaterkritik

Burgtheater-Kasino: Thomas Bernhard ohne Ohrensessel

Susanne Hassler-Smith
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Kann die erdrückende Mutter in Thomas Bernhards „Am Ziel" bei allem Schrecken doch Sympathie an sich ziehen? Dörte Lyssewski in Matthias Ripperts ungewohnt dynamischer Inszenierung im Burgtheater-Kasino schafft das. Beeindruckend.

„Jetzt rächt es sich, dass wir das Abonnement genommen haben“: Gleich nach Beginn, auf trostloser Bühne, fällt dieser Satz. Der Rezensent, der eine leichte Grundskepsis an der immerwährenden Genialität der Bernhardschen Dramatik nicht leugnen kann, reagiert – wohlwissend, dass er damit einer Bernhardschen Versuchsanordnung gehorcht – reflexartig: Nein, ein Abonnement auf solche Lamentationen wolle er nicht, denkt er, er hat das alles schon zu oft gehört, sagt er sich, es zerrüttet seinen Geist, es quält ihn, und vor allem: Es dauert. Zwei Stunden und 15 Minuten, steht im Programmheft, ohne Pause.

Tatsächlich: Das ist lang. Und nein, arg kurzweilig wird der Abend nicht: „Am Ziel“ zieht seinen Sog wie die meisten Bernhard-Stücke aus der zähen Kraft der Schleifen, in denen die Hauptperson klagt und hasst, hasst und klagt. Und doch: Dieses Stück ist anders, ist ganz eigenwillig. (Das könne man über die meisten Stücke Bernhards sagen, werden seine Fans einwerfen, und wahrscheinlich haben sie recht.) Im Zentrum steht eine Frau, deren existenzieller Ekel sich besonders gegen ihre Mutterrolle und ihre Kinder richtet: Ihr Sohn sei ihr zu hässlich gewesen („alles verkrüppelt an ihm“), sagt sie, sie habe sich vor ihm geekelt und inständig seinen Tod gewünscht. Der dann eingetreten ist.

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