Mein Dienstag

20 Jahre Flagey: Wie die Brüsseler eine Perle retteten

Das modernistische einstige Gebäude des belgischen Rundfunks aus dem Jahr 1938 ist heute einer der am geistvollsten bespielten Kulturorte Brüssels.

Dieser Tage saß ich, von den himmlischen Klängen von Mahlers 5. Symphonie umspült, im prachtvollen großen Saal des Flagey-Kulturzentrums in der Brüsseler Gemeinde Ixelles und dachte mir: Was für ein Glück, dass dieses Juwel nicht der Brüsselisierung zum Opfer gefallen ist! Fast auf den Tag genau 20 Jahre nach seiner Eröffnung unter Beisein des damaligen Königspaars, Albert und Paola, ist das Flagey (am gleichnamigen Platz, für den wiederum der einstige Bürgermeister Eugène Flagey Pate stand) einer der besten und am interessantesten bespielten kulturellen Orte Brüssels.

Dabei sah es in den Neunzigerjahren so aus, als fiele dieses elegante modernistische Kreuzfahrtschiff von einem Gebäude der Abrissbirne zum Opfer: 1938 als Hauptquartier des damals flügge werdenden belgischen Rundfunks gebaut, war es spätestens in den Siebzigerjahren angesichts des Aufstiegs der Bedürfnisse des Fernsehens zu klein für seine Zwecke und zudem von oben bis unten voller Asbest. Glücklicherweise fanden sich rasch Anrainer, Kulturschaffende, lokale Politiker und vor allem Vertreter sowohl der französisch- als auch der niederländischsprachigen Eliten zusammen, um den Abriss des Gebäudes zu verhindern. In unserem Haus hängt eine Reproduktion eines Drucks des großen belgischen Illustrators François Schuiten, auf dem das Flagey in tobenden Sturmeswogen zu sehen ist, einem sinkenden Dampfer ähnelnd.

1994 wurde es unter Denkmalschutz gestellt, vier Jahre später den beiden nationalen belgischen Rundfunkanstalten RTBF (französisch) und VRT (flämisch) abgekauft, bis 2002 komplett von Asbest befreit und saniert, wobei die ursprüngliche Eleganz des Gebäudes und seiner Einrichtung stilvoll erhalten wurde. Im Erdgeschoß ist fast ebenso lang das Café Belga installiert, welches sozusagen die Urmutter aller Brüsseler Hipster-Bobo-Lokale ist. Bei nächster Gelegenheit werde ich dort ein Bier auf das Flagey heben – und darauf, dass manchmal doch das Gute obsiegt.

E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

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